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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0134

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51 Intellektuell-reflektierend

133

In den kriegstheoretischen Traktaten wurde der Krieg weder gefeiert noch
verdammt, seine Existenz in der irdischen Welt wurde schlicht akzeptiert. Es
ging jedoch darum, den Krieg auf die richtige Art und Weise zu fuhren. Die
eigene Zeit wurde dabei als moralischer Tiefpunkt aufgefasst, da die alten
Regeln keine Beachtung mehr finden würden. Plündern, Brandschatzen und
Erpressen von Lösegeldern wurden angesichts der physischen Überlegenheit
der Krieger gegenüber der Bevölkerung als Missbrauch von Stärke gebrand-
markt. Vom Heerführer wurde folglich die Disziplinierung und notfalls Be-
strafung der Krieger eingefordert/s
Welcher Grundsatz stand aber hinter den Klagen und Regeln? Es liegt in
der Anlage der Werke begründet, dass die Autoren (bis auf Johannes von
Legnano) auf einen größeren theoretischen Überbau verzichteten und statt-
dessen mit Beispielen argumentierten. Die Frage nach einem grundsätzlichen,
handlungsleitenden Prinzip bei der Ausübung von Gewalt wurde also bei
Johannes expliziter behandelt als bei Bouvet. Generell ging es beiden jedoch
um die Frage, in welcher Form man sich legitim verteidigen dürfe. Der
Schlüssel dazu war das Konzept der Verhältnismäßigkeit. Johannes führte
aus, dass die legitime Verteidigung durch die Art der benutzten Waffen, die
zeitliche Dauer und der Charakter der ausgeübten Gewalt begrenzt sei A* Da-
bei unterschied Johannes, ob man sich persönlich oder nur seine Güter ver-
teidige: Letztere dürfe man nur dann mit Waffengewalt schützen, wenn sie
auf juristischem Weg nicht ersetzbar seien (Kap. 112). Weiterhin betonte er,
dass Selbstverteidigung zeitlich direkt auf das begangene Unrecht folgen
müsse, weil sonst die obrigkeitliche Justiz zuständig sei (Kap. 113). Die An-
gemessenheit der ausgeübten Gegengewalt schließlich bestehe darin, dass sie
defensiv und nicht rächend sein dürfe (Kap. 114).so In diesen Beschränkungen
spiegelt sich der Zwiespalt zwischen einer spontanen, oft gewaltsamen, ei-
genmächtigen Reaktion auf ein Unrecht auf der einen und der obrigkeitlichen
Rechtsprechung auf der anderen Seite. Gewaltsame Selbstverteidigung wurde
nur geduldet, wenn sie unmittelbar und aus persönlicher Bedrohung heraus
erfolgte. Jede Form der späteren, geplanten Gegenwehr (Rache) wurde damit
kriminalisiert und zur Sache der Gerichte erklärte

78 Vgl. Giovanni da Legnano, Tractatus de Bello, S. 97 (Kap. 20); Bonet, Arbre, S. 98f. (IV,10) und
122f. (IV,34); Laennec, Christine, Bd. 2, S. 61 (1,15) und 197-200 (111,8), (siehe auch Christine de
Pisan, Book of Fayttes, S. 49f. und 201-204; Christine de Pisan, Book of deeds, S. 44f. und 153-
155).
79 Sod D DDiMm rouoogfMr uoiDf iwoc uorFa, i?oo osf, (?MHS SMMf iiia (?MH0 ro^MirMMfMr ad i?oo wodor-
awoM? CowwMMÜor dooforos dicMMf SMMf iiia (?MH0 HO^MioaioMf iiiaDo oioioMfiao, in ^MHÜDfo ar-
worMW, D CMrsM fomporis. Fern ao^MioHioMtM in ipso ccfM uioioMfo Mo dies oxco&Mdo ooMsoafMr uiMdic-
D, sod circa /?oc ATiMMr. Giovanni da Legnano, Tractatus de Bello, S. 151 (Kap. 111). Ähnlich
bei Bouvet: Droit a pormis foMfos jMsfos do/oMsos (?MaMf dies Mo passoMf ios formos & i'q)?ÖMS0. Car so
HMCMM wo uoMioif & ig waiM, of jo t?Mi s:u's HMSsi graMf commo Di, io uoMioioArir do MM0 faMco OM &
MMoT^soi^o, oo Mo soroif pas dofoMso &M0 a wosMro. Bonet, Arbre, S. 135 (IV,44).
80 Auch Bouvet greift diese Aspekte an Beispielen auf, vgl. Bonet, Arbre, S. 171f. (IV,71). Vgl.
dazu auch Keen, Laws, S. 67f.
8' Dies spiegelt sich auch in der Begnadigungspraxis der französischen Könige. Verbrechen, die
aus ,heißer Wut' begangen wurden, werden eher begnadigt als kaltblütig geplante; Gauvard,
 
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