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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0138

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IVI Problematisierungen:
Formen der Gewalt

Gerade weil die Quellen kein klar fassbares Konzept von .Gewalt' erkennen
lassen, ist der Blick auf einzelne Gewaltformen umso naheliegender. Im Be-
mühen. dem mittelalterlichen Verständnis dieses Phänomens auf die Spur zu
kommen, sollen diese Formen möglichst wiederum aus zeitgenössischen
Vorstellungen abgeleitet werden. Diesmal machen die Quellen es dem Ord-
nung suchenden Historiker leichter: Die Kriegführung war. wie bereits er-
wähnt. eines der zentralen Themen der Epoche, das auch als eigenes Konzept
beschrieben und in seinen verschiedenen Facetten problematisiert wurde.
Schon der Blick auf die verschiedenen Zugänge zur Gewalt im vorigen Kapi-
tel hat gezeigt, dass der Bürgerkrieg hingegen als ein Konflikt anderer Quali-
tät begriffen wurde: Er wurde zwar parallel zu regulären Kriegen themati-
siert. von diesen aber abgegrenzt. Aufstände und Widerstandsbewegungen
wurden aus der Perspektive mittelalterlicher Autoren vor allem als illegitime
Störung der Ordnung beschrieben und als ..Aufruhr" (emeiTe') oder ..Er-
schütterung" (commoho?P) von anderen Gewaltformen abgegrenzt. Der Be-
reich des Verbrechens und der Strafe wiederum wurde vor allem unter dem
Aspekt der Gerechtigkeit (/Mshce) betrachtet.
Ziel des folgenden Kapitels ist es. verschiedene Formen der Gewalt konse-
quent aus einer historischen Perspektive heraus zu analysieren und so ihre
Besonderheiten und Charakteristika herauszuarbeiten. Zu diesem Zweck
beginnt jedes Unterkapitel mit einem Blick auf den mMgÜMnr des jeweiligen
Phänomens, das heißt auf die Charakteristika, welche die Zeitgenossen damit
verbanden. Weitere Schwerpunkte liegen zum einen auf expliziten Bewer-
tungen. mit denen die Quellen Handlungen als wünschenswert, normal oder
aber problematisch beziehungsweise verdammungswürdig qualifizieren. Auf
diese Weise lässt sich ausloten, wo die Scheidelinie zwischen akzeptierter und
als problematisch empfundener Gewalt verlief, ohne dass die Perspektive
durch moderne Zuschreibungen verzerrt würde.
Zwar mögen die Grenzen der Akzeptanz bei den jeweiligen Gewaltformen
unterschiedlich ausfallen. es schließt sich jedoch die Frage an. ob es grund-
sätzliche und übergreifende Parameter gab. an denen mit Gewalt verbundene
Handlungen gemessen und bewertet wurden. Darüber hinaus sind Handlun-
gen von besonderem Interesse, auf die Chronisten mit widersprüchlichen
Wertungen reagierten. In derartigen Fällen wird die Subjektivität jeder Be-
wertung und damit auch die Ambivalenz vieler Handlungen deutlich. Insbe-

' Siehe z. B. Journal d un Bourgeois. S. 31 (§ 3); Chronique des regnes. Bd. 3. S. 11.
^ Siehe z. B. Chronique des quatre premiers Valois. S. 321; Juvenal des Ursins. Histoire. S. 357.
 
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