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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0196

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11 Formen kriegerischer Gewalt

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EcordiCMrs als Gefährdung der öffentlich-staatlichen Ordnung^ ihre militäri-
sche Organisation und Disziplin hervorgehoben: Wegen der primären Fixie-
rung auf Beute und Geld sei Gewalt nur eingesetzt worden, wenn es unbe-
dingt nötig schien, etwa wenn Zahlungen verweigert oder Verhandlungen
gescheitert waren.^9 Auch in vielen Zeugenaussagen, die in den 1440er Jahren
im Auftrag der burgundischen Verwaltung zur Feststellung der Schäden ge-
sammelt wurden, lässt sich eine Fixierung auf Beute erkennen, bei der Gewalt
gegen Personen zumeist in Form von Schlägen eingesetzt wurde, um Löse-
gelder zu erpressend
Die Ecorc/ieMrs dürften als professionelle Söldner ihre militärische Schlag-
kraft gut einzuschätzen gewusst haben. Zu größeren Gruppen bis zu mehre-
ren Tausend Mann zusammengeschlossen, stellten sie selbst für befestigte
Städte eine ernsthafte Bedrohung dar. Meist aber bedrohten sie diese nur, um
die Zahlung eines Schuldgeldes (appahs) zu erzwingen; tatsächliche Angriffe
auf kleinere Städte und Burgen waren eher sehen A' Meistens zogen sie in
kleine Banden von 10-50 Mann durch das Land. Gegenüber Städten und Bur-
gen stellten diese keinerlei Gefahr dar, einfachen Bauern aber waren sie im-
mer noch deutlich überlegen, so dass diese zu leichten Zielen wurden.^
Bei genauerem Blick auf die Darstellung der Gewalttaten in verschiedenen
Quellenarten fallen schnell Unterschiede und Charakteristika ins Auge. His-
toriographische Quellen berichten nur summarisch von den Taten der Ecor-
c/ieMrs und heben kaum individuelle Handlungen hervor. Umso umfassender
wird die grundsätzliche moralische Verwerflichkeit ihres Agierens betont,
indem verallgemeinernd gerade solche Taten angeführt werden, die die Ord-
nung und das Überleben der Gesellschaft insgesamt bedrohten: Monstrelet
schrieb, die EcordiCMrs würden Personen jeden Standes und sogar Städte des
Königs angreifen, und der Bourgeois berichtete, sie hätten geraubtes Vieh
mutwillig verhungern lassen, da die Bevölkerung nicht genug Geld aufbrin-
gen konnte.333 Die Gewissenlosigkeit der EcordiCMrs lag für Monstrelet in der

32s Die EconrL'Hrs standen vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Fokus der
Forschung: Freminville, Ecorcheurs; Tuetey, Ecorcheurs; Canat de Chizy, Ecorcheurs; Bazin,
Episode. Neuer: Rigault, Ravages; Cauchies, Ecorcheurs. Vgl. dazu auch S. 39, Anm. 22.
329 Freminville, Ecorcheurs, S. 54; Canat de Chizy, Ecorcheurs, S. 44-47.
330 Bazin, Episode, S. 9; Tuetey, Ecorcheurs, Bd. 2, S. 309-329; Schläge werden explizit in folgen-
den Aussagen genannt: Ebd., S. 311, 338 und 349.
331 Erzwingung von gppgh's, etwa von Reims 1437: Champion, Guillaume de Flavy, S. 205 (Nr. 72);
Plünderung des Umfelds von Städten, etwa um Beauvais 1429 oder um Mäcon 1430: Ebd.,
S. 139 (Nr. 16); Journal de Jehan Denis, S. 203f. Einnahme von Städten, etwa in Bar und Loth-
ringen 1438 oder 1443 Neuville-sur-Saöne (vormals Neuville-l'Archeveque, Dep. Rhone): Les
chroniques du Roi Charles VII, S. 198; Documents inedits pour servir ä l'histoire de Bourgogne,
S. 431.
332 Siehe z. B. die Beschreibung bretonischer Söldner bei Pintoin (zum Jahr 1417): LP A&w uaL-
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Pw MOM Chronique du Religieux, Bd. 6, S. 154.
333 Monstrelet, Chronique, Bd. 5, S. 350; Journal d un Bourgeois, S. 392 (§778). Pierre Cochon
erwähnt ebenfalls explizit, dass Leute jeden Standes Opfer der LcorAcMrs wurden, und Gilles le
Bouvier betonte wie Monstrelet, die Banden hätten Städte und Burgen ungeachtet ihrer politi-
 
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