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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0207

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206

IVI Problematisierungen

der Konflikt zwischen einzelnen Fürsten zu einem Bürgerkrieg ausweitete:
Schon 1340 notierte Jean Froissart anlässlich innerflämischer Auseinanderset-
zungen, dass es keinen so grausamen Krieg gebe, wie den zwischen „Nach-
barn und Freunden."^5 Auch Frangois de Monte-Belluna warnte 1357 vor
inneren Kämpfen, denn nach Lucan sei ein Bürgerkrieg der schlimmste aller
Frevel.3%
In dem Maß, in dem der Hundertjährige Krieg nicht als Problem, sondern
als kollektiv (von den Franzosen) zu erfüllende Aufgabe empfunden wurde,
war der Krieg der Franzosen untereinander ein Schreckensbild ohne gleichen,
schwächte er doch das Reich von innen. Dieser Kampf unter- und gegenei-
nander galt den Zeitgenossen als „verdammter Krieg"397, auch weil seine
Ausmaße als größer und gravierender angesehen wurden als die eines regu-
lären Kriegs.
Wegen des unnachgiebigen Kampfes zweier Parteien in einem geographi-
schen Raum um ein Machtmonopol gelten Bürgerkriege auch der heutigen
Forschung als außergewöhnlich hart und brutal aus getragene Konflikte. Der
Anspruch auf Recht und Wahrheit jeder Partei verabsolutiert sich und macht
so einen Kompromiss zunehmend unmöglich. Verallgemeinernd kann man
sagen, dass in einem regulären Krieg ein Friedensschluss ein Maximum an
Erfolg bringen soll, während den Parteien in einem Bürgerkrieg überhaupt
nur der Sieg bis hin zur Vernichtung des Gegners als Lösung erscheint/'^
Während die heutige Forschung vor allem den monopolistischen und aus-
schließlichen Machtanspruch der Kriegsparteien in den Blick nimmt, betonten
die Beobachter des 15. Jahrhunderts stärker die Gefährdung inner gesellschaft-
licher Solidaritäten. Das Königreich und seine Bevölkerung wurden als Orga-
nismus imaginiert, der nur als Einheit lebensfähig war.399 Wenn dieser Körper
sich gegen sich selbst wende, sei dies eine dem Wahnsinn gleichkommende
Selbstverstümmelung, so Christine de Pisand"" Einhellig beklagten die Zeit-
genossen das innerfranzösische Blutvergießen, das sie als Kampf eines Kör-
pers mit sich selbst, beziehungsweise als Krieg unter Familienmitgliedern
und Blutsverwandten darsteütend'" Der Bürgerkrieg wurde zum Parrizid und

395 Pf OM d/sf ef uo/rs esf (?M'd M'esf s/Jede gMerre (?Me de uo/s/MS ef HMds. Froissart, Chroniques (liv. I &
II), S. 302 (1,121).
396 AfoM eMMM propfer a/iMd d/xd sap/eMS Cafo Lff/eeMs/s; ,SMM!M!MM!, Ende, Mepdas c/udia Zvda A^M!Mr.'
Vernet, Tragicum argumentum, S. 155 (§17); vgl. das Zitat bei Lucanus, The civil war, S. 78
(11,286).
397 Pf par a/Ms/, a caMse de eesfe MMM/dde gMerre, p/Ms/eMrs ef d/uers pai/s esfo/eMf poMr ee femps eM graMS
fr//Mdae/oMS. Monstrelet, Chronique, Bd. 2, S. 165. Car per eeffe MMMdde gMerre faMf de MMMi* OMf efe
Jä/fs. Journal d'un Bourgeois, S. 150 (§262). Pa/saMS gMerre /es MMS eoMfre /es aMfres eM eeffe MMMdde
tfMcrcdc, t?M 'oM d/so/f de PoMrgOMgMe ef ZrMMgMacs. Juvenal des Ursins, Histoire, S. 539.
398 Vg). Kortüm, Kriege, S. 61-63; Kortüm, Kriegstypus, S. 86f.; Morillo, General typology, S. 36-
40. Siehe zur modernen Bürgerkriegstheorie auch Kalyvas, Logic.
399 Vgl. Gauvard, Grace espedal, S. 692-694.
400 Christine de Pisan, Livre de la paix, S. 135f. (111,14).
^ NoM so/MM! de//MM! e/M//e, ^Mod /Mfer UM/MS urd/s aMf pafr/ae e/Mes ger/fMr; sed deZ/MM! doM!esf/eMM!,
ZvdMM! /Mfesf/MMM!, deZ/MM! JäM!d/are, de//MM! eoMSHMgM/MMM!, ^Mod /Mfer UM/MS eorpor/s u/seera, /Mfer
UM/MS doM!MS, UM/MS JäM!d/ae, UM/MS geMer/s, UM/MS SHMgM/M/s doM!/Mes (pro/; Mep/Ms) gereMdMM! parg/Mr.
Nicolas de Clamanges, Opera omnia, Bd. 1, S. 169 (Oraf/o ad /Z/Msfr/ss/M!OS Cad/arMM! pr/Me/pes).
 
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