Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0213

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
212

IVI Problematisierungen

eindeutig negative Wertungen, Vergleiche oder Anspielungen auf ohnehin als
kritisch angesehene Praktiken zusätzlich hervorgehoben.
Zweitens wurde die besondere Grausamkeit der Kämpfe beziehungsweise
der Behandlung der Non-Kombattanten nicht nur betont, sondern durch de-
tailreiche Schilderungen exemplarisch vor Augen geführt. Der Bourgeois be-
schrieb, wie die Armagnacs 1420 bei der Einnahme von Champigny-sur-
Marne (Dep. Val-de-Marne) Menschen, Vieh und Getreide gleichermaßen
verbrannten. Als einige Opfer versuchten, aus dem Feuer zu springen, hielten
die Krieger ihnen ihre Lanzen entgegen, „ so dass sie von drei oder vier Lan-
zen oder ihren Äxten aufgespießt wurden, bevor sie den Boden errei-
chten."^ Die Dramatik des Geschehens wurde in der Schilderung noch
dadurch erhöht, dass dieser „grausame Treuebruch" am Karfreitag begangen
wurde und die Angreifer dem Bourgeois daher wie „entfesselte Teufel" er-
schienen. Die Wirkung der Szene ist zum einen durch die Unerbittlichkeit der
ausgeübten Gewalt bedingt: Für die (eigentlich unbeteiligte) Bevölkerung gab
es offensichtlich kein Entrinnen vor dem Grauen. Zwar konnte man dem Feu-
ertod entkommen, nicht aber dem Tod selbst. Zum anderen ist die Drastik der
Schilderung durch religiöse Implikationen bedingt. Der Feuertod war die
klassische Flinrichtungsart für Ketzer und verhinderte durch die Vernichtung
des Körpers dessen Auferstehung.^ Die vom Bourgeois betonte Gnadenlosig-
keit der armagnakischen Krieger liegt zum einen in der Art des Todes be-
gründet, den sie den Bewohnern bereiten, zum anderen am Zeitpunkt der
Kämpfe: Am Karfreitag als einem der höchsten christlichen Feiertage war
Kriegsführung ohnehin verboten. Die Armagnacs missachteten dem Bourgeois
zufolge christliche Sensibilitäten gleich doppelt.
Drittens spielen auch in den Beschreibungen des Bürgerkriegs die Brigan-
ten eine Rolle, wodurch die ausgeübte Gewalt als ungezügelt und unkontrol-
liert erschien - und damit bar jeder legitimierenden Ordnung. Söldnergrup-
pen gaben verschiedentlich vor, im Dienste eines Fürsten zu stehen. Tatsäch-
lich jedoch wurden sie nicht besoldet und finanzierten sich durch Plünderun-
gen und Lösegelderpressungen, ohne dass sich ihnen jemand entgegenstell-
te Dem Bürgerkrieg wurde damit eine sich selbst perpetuierende Eigendy-
namik zugschrieben, die nicht einmal die Fürsten durchbrechen konnten oder
wollten. Die Chronisten zogen daraus den Schluss, dass die Fürsten offen-
sichtlich kein Interesse hatten, den Krieg zu beendend^

435 Et ireiMijoMr IwMtereMt ie^M aMjbrt de Ci?aM!pigMi/-SMre-MarMe et ardireMtA^wes et ep/aMts, Pommes,
NeMA r*ari?es, &reMz et aMtre Ivtaii, auoiMe, Me et aMtre graiM, et pMaMd HMCMMS des Pommes saiiiaieMt
poMr ia detresse dMjeM, ds wettaieMt ieMrs iaMres d i'eMdroit, et auaMt pM'iis/MsseMt d terre, ds estoieMt
perrez de trois OM pMatre Mures OM de ieMrs i?ari?es; rede des rrMeiie^oMMie/ireMt M et aiiieMrs redit
joMr, et ie ieMdemaiM, uigiiie de PapMes, /ireMt aMtaMt OM pis d MM rdastei Momme Croissi/. Journal d un
Bourgeois, S. 156f. (§271).
436 Gonthier, Chatiment, S. 163-166.
437 Chronique du Religieux, Bd. 6, S. 48. Siehe auch ebd., S. 42-44 und 88-90; Juvenal des Ursins,
Histoire, S. 455.
438 Et gM reiMi tewps rroissoit piMS et piMS F?rt M gMerre, rar reMX pMi se disoieMt PraM^ais, rowwe de
EaMgMi/ et des aMtres^rteresses d'eMtoMr Paris, roMraieMt toMS /es JoMrs jMspMMMX portes de Paris, pii-
iaieMt, tMaieMt dommes, poMr re pM'd MMi des seigMeMrs Me rdaiiait de mettre ia gMerre d/iM, poMr re pMe
 
Annotationen