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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0215

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214

IVI Problematisierungen

Exzesse und ihre narrative Konstruktion - Teil II
In regulären Kriegen konnte es - normativ gesehen - zu keinen Exzessen
kommend Das Beispiel der Gefangenentötung in der Schlacht von Azincourt
(vgl. dazu S. 165-169) hat gezeigt, dass selbst außergewöhnlich blutige Ereig-
nisse regelkonform erklärt wurden, beziehungsweise die französische Chro-
nistik die Verantwortung für die Niederlage eher in den eigenen Reihen aus-
machte, als dem Gegner ,KriegsgräueE zu unterstellen.
Mit Blick auf den Bürgerkrieg lohnt es sich, von der Schlacht von Azin-
court 1415 ausgehend, einem direkten Verweis Thomas Basins zu folgen.
Basin schrieb, die Schlacht habe sich genau ein Jahr nach der Plünderung von
Soissons durch die Franzosen ereignet, so dass viele die Niederlage der Fran-
zosen als göttliche Strafe für die Gottlosigkeiten und Grausamkeiten gedeutet
hätten, die in Soissons begangen wurden.445
Tatsächlich fand die Einnahme des burgundischen Soissons im März 1414
durch eine königlich-armagnakische Armee großen Widerhall in den Chroni-
ken. Die Armagnacs befanden sich Anfang 1414 auf einem Kriegszug gegen
Burgund. Graf Bernard VII. von Armagnac drängte bereits vor Compiegne
darauf, die Stadt im Sturm zu erobern, der König aber setzte sich durch und
begnadigte die Stadt. Die Armee zog weiter, erreichte am 10. Mai Soissons
und begann die Belagerung. Kapitulationsverhandlungen wurden offenbar
bewusst vermieden, um nun Soissons im Sturm nehmen zu können. Bei ei-
nem Angriff öffnete schließlich der englische CapzhnHC die Tore und die Stadt
wurde erobert. Auf Befehl des Herzogs von Bourbon wurden am 25. Mai
mehrere Gefangene hingerichtet. Das 35 km entfernte Laon ergab sich da-
raufhin kampftos.446
Die blutige Einnahme der Stadt galt vielen Chronisten eindeutig als exzes-
siv und wurde in der Schilderung Jean Juvenals zum Sinnbild für Kriegs-
gräuel schlechthin stilisiert: Der Chronist berichtet, König Heinrich V. habe
bei seiner Invasion 1415 seinen GzpzhnMes erklärt, er sei nach Frankreich ge-
kommen, um seine Rechte auf den französischen Thron wahrzunehmen und
nicht als tödlicher Feind. Daher werde er nicht zustimmen, dass Feuer gelegt,
geraubt oder Frauen vergewaltigt würden, wie man es in Soissons getan ha-
be.447 Auch den Bewohnern Harfleurs hätten die Engländer bei der Belage-

444 Vgl. Schmitt, Chroniqueurs, S. 104 und 108. Vgl. dazu auch S. 80 und 123f. dieser Arbeit.
445 Anno ouoinio ox a Francis misoradiitor diropia/norai ciuiias SnossioMMW, proni snpra dixiwns, oi
intor impio iiiic acia, spoiiaiMW uoMoradio iiind coModnw!, SM& oorMM&w! IvatorMW! martirnw! iiinio &-
dicainw. L7M& crodiinw osi i?anc cia&m Francis diciMÜns iM/iiciaw pro woriiis impioiaiMW d crndoii-
tainm, (?MHS inw in wniiis, inw poiissiwo in iiiins nrds euorsioMO ai^no sacrornw diropciono, commiso-
rani. Basin, Charles VII, Bd. 1, S. 44-46. Bei der Schilderung der Einnahme Soissons selbst deu-
tet Basin die kommende Schlacht ebenfalls als Sühne für die begangenen Verbrechen, ebd.,
S. 28.
446 Schnerb, Armagnacs, S. 198-200; Autrand, Charles VI, S. 508f.
447 Et ^no g Pon d jnsio titro ii i/ osioii uoMM ponr A?ro son poMuoir & io coM^norro, of n'i/ osioii pas uoMM
commo OMMomi/ worioi; car ii M'auoii pas coMSOMit/ & iiontor ^Mx, Mo rauir, uioior, Mo o^brcor/iiios oi
Jöwwos cowwo on auoit Jäit a Soissons; wais tont doncowoMi uonioii coM^norir co tpu osioii sion. Juve-
nal des Ursins, Histoire, S. 521.
 
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