Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0218

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
11 Formen kriegerischer Gewalt

217

Die Schilderung Michel Pintoins etwa verfolgte mehrere Stränge. Zum einen
wurde Enguerrand de Bournonville als vermeintlicher burgundischer Held
dekonstruiert: Pintoin hob zunächst die Arroganz Enguerrands hervor, der
dem König faktisch den Einritt in die Stadt verweigert habe .456 Als die Lage
der Stadt schließlich kritisch wurde, habe er nachts fliehen wollen, um sich in
Sicherheit zu bringend^ Seine schändliche Hinrichtung (Enthauptung, Hän-
gung, Aufspießung des Kopfes) schließlich sei die gerechte Strafe dafür gewe-
sen, dass er die Liebe zu einem Fürsten über die Treue zum König gestellt
habe.458 Zum anderen erscheinen auch die Stadtbewohner in Pintoins Darstel-
lung als verräterisch: Die Bewohner Compiegnes (das zuvor von der königli-
chen Armee eingenommen worden war) hätten zwar heftigen Widerstand
geleistet, aber genau darauf geachtet, mit ihren Geschossen nicht den Ort im
gegnerischen Lager zu treffen, an dem das königliche Banner wehte. Die Be-
wohner Soissons' dagegen hätten Steine bewusst dorthin geschleudert, als ob
sie den Tod des Königs wolltend^ Die Betonung, dass die königliche Autori-
tät missachtet wurde, legitimierte im Narrativ Pintoins bereits im Voraus die
kommende Strafe .46° Bei der Darstellung der Stadterstürmung unterschied
Pintoin sorgfältig die Verantwortlichkeiten verschiedenen Gruppen von Krie-
gern: Die ,Armagnacs' haben sich sofort ans Plündern gemacht, während die
,Königlichen' das Plünderungsverbot beachtet hätten.46' Übeltaten wie Ver-
gewaltigungen und Kirchenschändungen wurden vor allem ,fremden' Söld-
nern zugeschrieben und damit gleichzeitig erklärt: Sie hätten ihrer Raserei,
Raubsucht und Lüsternheit gehorcht.462 Die Stadt sei so die Beute „auswärti-
ger Nationen" geworden, der König aber habe Milde walten lassend

^6 Chronique du Religieux, Bd. 5, S. 316.
457 Ebd., Bd. 5, S. 310.
458 IgMowwiosHW famr?! morfrm rprs bMX BMrgMMbir rgm hJ;7, ipsMW SMprr owwcs CHpiEmros SMOS
proposMrnE proprMs;*MS EoMorgm; srE awomw /;7M;7;E;' mg; &F;7r pmposMrnE, r;'MS u;7;'prM-
rbicfH, ;*M uwEicfHW proE;'c;'oM;'s cowwissr o?p;7r iHMcra H^ixo_/oro mmm urMHÜMW, ÜMMCMS r;'MS
CMW crfrris coMso&EFMS SM;'s pHh'FMio SMsprMSMS rsf. Ebd., Bd. 5, S. 328.
459 Ebd., Bd. 5, S. 98 und 318.
460 LE iawcM urrMwAEar, rx oFsh'MHfH WHÜCM iMNiHMÖMW ;'w ra ;d procrss;7. New sp;'r;7M rdvE;'oM;'s
HgEad', rf ;'?! pgrirw Erfrriomw sr urrfcMfrs, rEich's parrm mg;';'s coMfrwpsrrMMf. Sic igiOrr crruicosi ri
iMimciHFürs uiri, bMW woMÜis MrsciMMi HC^Mirscrm wriioriFMS, rf Eiscipiwr saiMiHris MrsciMMi ;'MgMW
poUam, SMO iapsi iwpriM, ciarMW SMHrMW AMciMS iMMiiirs coiirgrrMMi, s;d; uiciorMW gDEiis coMsi;7;Ei.
Ebd., Bd. 5, S. 324. Zur Rechtfertigung eigener Gewaltausübung als Gegengewalt siehe Hirsch,
Notwendige Gewalt, S. 55f., sowie Knoch, Einleitung, S. 25-31.
464 Dir mg;';' uicrsimH prima crssrrMMf uicforiiws, ^Mi CMm ciamorr irrriFiii iMgrcbicMirs ciciiairm, ;'am
^4rw;'M;'Hcos rf aiicMos aiios reprrrrMMi ;'am r/'MS imMrstiora ri iocMpirdom Eomiciiia occMpassr. Chro-
nique du Religieux, Bd. 5, S. 324.
462 Rex iamcM, iwoiEr ivMigMiiaiis ri misrricorEir MOM oMÜMS, wr MÜra mobMm iaxarcMi crMdriEatis i;aiv-
MHS, uoce pmcoMM ri HMcforÜHfr regia siaiMÜ prowMigHr; ;d nF iwermi cwigM giabiMm reirai;eMies wec
^Mempiam occ;dere?E, c;p'MS ;'am moFiie occMpasseMi; ib^Me opiime abimpieiMm esi. SeE CMm preco aEEi-
Eissei HMcforÜHfr regia, ;E wec mMÜeriFMS coMjMgHh's uei sigMHCMiMm pMeiiare reimeMÜFMS, uei ecciesiis
uioieMciam ip/erreMi, precepiMm exiere Macicwes, Mi BriioMes, VascoMes, ei TEeMicwic;', ^Mos ;'MMHiMs/M-
ror exagiiare, rapaciias siimMiare, ei iiFiEo precipiiare coMSMeuii, miwime oFsrruHurrMML Ebd., Bd. 5,
S. 326.
463 rxfrn's MHc;'oM;7;MS, proc Eoior.' rsf r^rcfH. Ebd., Bd. 5, S. 324. Zur königlichen Milde: Ebd.,
S.328-330.
 
Annotationen