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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0232

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21 Formen kollektiver Gewalt

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ausrüstete, was ihnen an Arbeitsinstrumenten zur Verfügung stand, raubten
die Bewohner von Paris 1358 gezielt die königliche Rüstkammer im Louvre
aus, um sich mit Waffen zu versorgend? Entscheidend war aber nicht die Art
der Waffen, sondern der Akt der Bewaffnung an sich, denn dies war eigent-
lich Privileg des Adels - die Bewaffnung der Bevölkerung ohne obrigkeitliche
Erlaubnis war damit bereits ein Akt der RebeHion A Dies spiegelt sich auch im
Begnadigungsschreiben wider, das nach dem Aufstand von 1358 für die Be-
wohner von Paris ausgestellt wurde: Der Raub der Waffen aus dem Louvre
sowie die Bewaffnung an sich fielen für den Dauphin klar unter den Tatbe-
stand des Verrats .49

Gewalt als Selbsthilfe gegen Ungerechtigkeit
Der Unmut der Bevölkerung richtete sich häufig speziell gegen einzelne
Gruppen oder Personen, wobei im 14. und 15. Jahrhundert Steuereintreiber
wohl als am stärksten gefährdet gelten dürfen:^ Manchmal wurden sie aus
der Stadt vertrieben, häufig auch gezielt getötet.''' Es sei an dieser Stelle an die
bereits herausgearbeitete Sensibilität vor allem der städtischen Bevölkerung
gegenüber Steuerforderungen erinnert, die als Inbegriff des exces, also der
Unmäßigkeit, schlechthin galten - zumal die Gegenleistung, etwa in Form
erfolgreicher Kriegsführung, kaum erbracht wurdet Schon 1369, so berichtet
die des poabT premzers Vdlozs, habe der vom König mit der Eintrei-
bung von Steuern und Abgaben beauftragte Abt von Fecamp (Dep. Seine-
Maritime) den Unmut der Volks auf sich gezogen und sei deshalb in Lebens-
gefahr geraten.^ Im Folgenden soll vor allem die Zeit zwischen 1380 und 1383
untersucht werden, in der es in mehreren Städten wiederholt zur offenen
Rebellion gegen obrigkeitliche Steuerforderungen kam.
Nachdem Karl V. auf dem Totenbett alle Steuern für abgeschafft erklärt
hatte - das zumindest glaubte man in Paris^ - traf den Regentschaftsrat nach

Religieux, Bd. 1, S. 47, 118, 138; Juvenal des Ursins, Histoire, S. 348f.; Monstrelet, Chronique,
Bd. 4, S. 295; Bd. 5, S. 195; Basin, Louis XI, Bd. 1, S. 66 und 70.
4? Chronique des regnes, Bd. 1, S. 170. Vgl. d'Avout, Meurtre, S. 171f.
48 Cazelles, Jacquerie [1978], S. 82; Cazelles, Jacquerie [1984], S. 60f.; Freedman, Images, S. 182f.;
Neveux, Revoltes, S. 39, zählt die Bewaffnung der Bevölkerung zu den konstitutiven Voraus-
setzung eines Aufstands.
49 ignorant Ls granf fraisons td maloficos f..J fdsj so soionf consonfns f..J de o:dx armer confro nons
f..J, de prendre ef oeenpor deA?cf nosfro edashd dM Lonuro ef anssi des arresfer ef prandre nosfro arfd-
ieri/e f...J. Lehre dädoL'L'on für Paris, 10.08.1358, Perrens, Etienne Marcel [1860], S. 41 Of. Neveux,
Revoltes, S. 281, weist darauf hin, dass der Griff zur Waffe nur im Beziehungssystem zwischen
Herrn und Untergebenem ein Akt des Widerstands sei, da Adel und Bürger mitunter andere
institutionalisierte Formen des Protests gehabt hätten, von denen weite Teile der Bevölkerung
aber ausgeschlossen gewesen seien.
80 Dazu Bourin, Revoltes, S. 66f. Zum sogenannten capago-Auf stand 1357 in Toulouse: Solon,
Tholosanna Fides, S. 267-274.
84 Siehe dazu S. 111, Anm. 38.
82 Vgl. S. 165, Anm. 151.
83 Chronique des quatre premiers Valois, S. 202.
84 Es handelte sich dabei wohl tatsächlich nur um die Steuer auf Herdstellen im Langno d'od, vgl.
Autrand, Charles VI, S. 80.
 
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