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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0251

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250

IVI Problematisierungen

Zweitens thematisierte auch der Dauphin die exzessive Repression in sei-
nem allgemeinen Begnadigungsbrief (rom/ssion generale) vom 10. August
1358.161 Zuerst listete Karl die Vergehen der Pariser und der Landbevölkerung
auf, wegen der sich der Adel versammelt habe, um sich zu rächen (ponr se
eonireveng/er). So sei dann eine große Menge an Menschen ohne Mitleid, Gna-
de oder Erbarmen (senz piho, merd OM hz/soncordo anenne) umgebracht worden,
bis der Dauphin dies verboten habe. Schließlich vergab er Adligen wie Nicht-
Adligen gleichermaßen und führte an, die Gruppen hätten sich auf sein Ver-
langen gegenseitig verziehen, im Interesse des Friedens und Zusammenhalts
der Gesellschaft (a /in da Izomzo pazs d an loa ansamMa). Der Dauphin erfüllte
hier die klassische Rolle des Königs und stellte sich als über den anderen ge-
sellschaftlichen Gruppen stehend dar; tatsächlich hatte er sich an der Repres-
sion der /act?Mana kaum beteiligt.^ So konnte er nach den beiderseitigen Ge-
walttaten als vermittelnde und zugleich autoritative Instanz für Frieden sor-
gen - nicht zuletzt indem er die entzweite Bevölkerung auf die Bedrohung
durch die Engländer und andere Feinde des Reiches (hier ist Karl von Na-
varra gemeint) hinwies.

212 Ideologisierte Gewalt: Die gnmda inana^ in Paris 1418
Ideologisierung
Der Bürgerkrieg zwischen Armagnacs und Bourguignons hatte sich nach dem
Mord an Ludwig von Orleans 1407 von einer Auseinandersetzung der Fürs-
ten um Macht, Geld und Einfluss zu einem immer stärker ideologisch geführ-
ten Konflikt ausgeweitet. Die Schilderungen der parteiischen Chronisten
nahmen immer stärker die Form von scharfer Propaganda an und zielten
direkt auf eine Beeinflussung der öffentlichen Meinung, wodurch die Bevöl-
kerung selbst zu einem Akteur des Bürgerkriegs wurde. Während um 1410
die Truppen Berrys und Armagnacs die Gegend um Paris ausplünderten (aus
Neid (onozo), weil diese treu zu Burgund standen, wie der Bourgeois schrieb),^
herrschte in Paris eine umso feindlichere Stimmung gegenüber den Armag-
nacs: Man schrieb dem Grafen von Armagnac alle erdenklichen Übel zu und
habe beim Töten seiner Leute nicht mehr Mitleid gehabt, als bei Hunden, so
erneut der Bohrgoozs.^s

Lehre de rewhssior; gebende, 10. August 1358, Paris, AN, JJ 86, fol. 80 (Nr. 241), ediert bei Luce,
Histoire, S. 251-253 (Nr. 23). Siehe auch weitere Begnadigungsbriefe, in denen der Dauphin
einforderte, dass der Adel der Landbevölkerung vergeben solle: Lehre de remission für Thomas
Consterel, Dezember 1358, ediert in Perrens, Etienne Marcel [1860], S. 396f. (Nr. 13); Lehre de
remissioM für Perrot la Sene, August 1358, ediert in Luce, Histoire, S. 294f. (Nr. 47); Siehe auch
Bommersbach, Gewalt, S. 69, die jedoch nicht auf den eigentlichen Text der remission gebende
verweist. Siehe auch Roch, Guerres, S. 48.
162 Bommersbach, Gewalt, S. 69f.
163 Monstrelet, Chronique, Bd. 3, S. 289.
164 Journal d un Bourgeois, S. 35 (§11-12) (ad a. 1410).
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