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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0282

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31 Formen interpersoneller Gewalt

281

einer Qualifizierung verschiedener Verbrechen aufwirft. Ein Ansatzpunkt
hierfür sind die Vergehen, die der Dauphin Karl (V.) 1357 in einer Ordonnanz
als „unverzeihliche Verbrechen" (cnmes znvmzsszMes) definierte: Morde, Ver-
stümmelungen (sofern mit böser Absicht geschehen), Vergewaltigungen von
Frauen (Geistliche, Verheiratete und Jungfrauen), Brandstiftung sowie das
Brechen von Waffenstillständen und sonstigen beschworenen Vereinbarun-
gen sollten zukünftig nicht mehr begnadigt werdend" Zwar zeigt die juristi-
sche Praxis, dass es letztlich kein Verbrechen gab, das nicht doch begnadigt
werden konnte/" die Ordonnanz von 1357 definiert dennoch genauer, dass
Morde (muntres) dann als unverzeihlich gelten sollten, wenn sie aus einem
Hinterhalt heraus verübt wurden. Hinter diesem Zusatz steht eine grundsätz-
liche Unterscheidung nach den Umständen einer Tötung, die über die heute
übliche zwischen Mord und Totschlag weit hinausgehtA Die Differenzierung
greift auf ältere Traditionen zurück, wie sie z. B. in den 1283 von Philippe de
Beaumanoir^ zusammengestellten CoMtMmes de Bezmumszs besonders deutlich
werden:

„Mord (murtres) ist wenn jemand jemanden aus einem Hinterhalt,
zwischen Sonnuntergang und Sonnenaufgang mit Absicht tötet oder
töten lässt, oder wenn er dies während eines Waffenstillstands oder
wider seine Sicherheitsgarantie tut. (...) Kein Mord ist ohne Verrat."^
„Eine Tötung (/icwnddes) ist, wenn jemand einen anderen in einem
aufgewühlten Kampf tötet, etwa wenn ein Zwist entsteht und aus
diesem eine Beleidigung und aus dieser ein Kampf, durch den häufig
jemand zu Tode kommt.

Ne doros-OM-HUHMf NoMS ne Jerons pardoMS, ne romissoMS & WMrdres on de M!Mh7iHc;'oMS, de wewFres
Jäü of porpoüos de MMMudz ßgßd, par MMMuNso uoiMMfo & par doNForadoM, ne de raNssemenf on tj^br-
comoMf dejemmes, momomoMf de roh'gioMS, manees on pMoedes, de Jens donder OM Tgüsos on OM andres
d'enx par wanuazse aga;d, de fn'eues, assenrewens on pan* jnrees, rompnes on dn'sees par sewd/ad/e wa-
Mibro, ne de sanues-gardes en/raz'nZes, on andres eas semMaMes p/ns grans. Ordonnances, Bd. 3, S. 129
(§6) (Karl (Dauphin), 1357). Vgl. dazu Gauvard, Grace espedal, S. 75 und 539f.
Gauvard, Grace espedal, S. 75; Toureille, Vol, S. 263; Gut, Pays de l'Oise, S. 143. Zu Karl VI.
insbesondere: Gauvard, Humanistes, S. 224.
9i Nach dem deutschen Strafgesetzbuch gelten sowohl Totschlag als auch Mord als vorsätzliche
Tötungen, wobei bei Mord niedere Beweggründe vorliegen: „Mörder ist, wer aus Mordlust,
zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat
zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet." (StGB §212 AbS. 2). Totschlag da-
gegen wird ex negativo vom Mord unterschieden: „Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu
sein, wird als Totschläger [...] bestraft." (StGB §212 AbS. 1).
99 Zu Philipp siehe knapp Bourgain, Philippe de Beaumanoir.
93 MMrÜOS s; OSf (?MHMf HMCMMS fMO OM JA fMOr HMÜM; OM HgMOf HpOMSO pMZS SoA;7 OSOOMSHMf JMS^MOS H S0io;7
iouHMf, OM (?MHMf ;7 fMO OMJof OM fn'uos OM OM HssoMrowoMf. (...) NMS WMrüos M'osf SHMS haisoM. Phi-
lippe de Beaumanoir, Coutumes, Bd. 1, S. 429f. (§825, 827). Verweis bei Gauvard, Grace es-
pecial, S. 803.
94 HoMÜA&S s; osf ^MHMf HMOMMS fMO HMÜMi OM ÜMMÜ0 WONOO, si OOWWO ;7 HUlOMf ^MO fOM^OMS MOSf Of & iß
foM^OM uioMf paroio of & d dNo paroio ia woNoo par d^Moio HMOMMS ro^oÜ wort soMUOMfos Jbis. Phi-
lippe de Beaumanoir, Coutumes, Bd. 1, S. 430 (§828). Verweis bei Gauvard, Grace especial,
S. 803.
 
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