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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0292

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31 Formen interpersoneller Gewalt

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eine Möglichkeit der Deeskalation, da man über formale Zweikampf-
absprachen schließlich ins Gespräch kam. Das Angebot selbst war damit poli-
tisch gesehen eine rhetorische Formel und auf narrativer Ebene eine Möglich-
keit für die Chronisten, die Tugendhaftigkeit eines Herrschers zu loben oder
zu kritisieren.^ Als der Herzog von Orleans 1402 den englischen König Hein-
rich V. herausforderte, verwies dieser einerseits auf den zwischen England
und Frankreich bestehenden Waffenstillstand und andererseits darauf, dass
noch kein englischer König eine Herausforderung Rangniederer angenom-
men habe - er aber würde sich demnächst darauf eintassenA Was hier bei
Michel Pintoin zunächst als ein Narrativ angelegt ist, das die Ritterlichkeit des
Königs herausstreichen könnte, wird dann aber zur exemplarischen Kritik an
der ebenso gestenreichen wie folgenlosen Adelskultur: Dem Zwist zwischen
Heinrich V. und dem Herzog von Orleans maß Michel Pintoin abwertend
ebenso viel Wirkung zu, wie den „Zänkereien alter Frauen."^
Das häufige Verbot von Zweikämpfen durch den König, beziehungsweise das
mitunter reflexhafte Angebot eines Duells unter Adligen ohne weitere Folgen,
wie es Chroniken schildern, entwirft das Bild einer weithin fiktiven Gewalt-
praktik.^ Tatsächlich fanden Zweikämpfe durchaus zahlreich statW und for-
derten mitunter auch ToteA Das berühmteste Beispiel mag wohl der Zwei-
kampf zwischen Jacques le Gris und Jean de Carrouges 1386 sein: Jean warf
Jacques vor, seine Frau vergewaltigt zu haben und tötete ihn dann im Zwei-
kampf.^
Instruktiv für die verschiedenen Einstellungen zu Duellen ist die Ge-
schichte Pierres de Courtenay, eines Adligen in Diensten des englischen Kö-
nigs, der - begierig auf Zweikämpfe - nach Frankreich reiste. Am französi-
schen Hof forderte er 1385 Guy de la Tremouille heraus, was der König je-
doch verböte Lediglich Froissart berichtet, die beiden hätten eine Lanze ge-

84 Neumann, Zweikampf, S. 172-174; sowie Schneider, Zweikampf, S. 32, der dafür plädiert, die
Ernsthaftigkeit von Zweikampfaufforderungen nicht zu unterschätzen, der vor allem aber den
propagandistischen Charakter betont.
88 Addetts^Me predecessores sttos a mdton'FMS sc aMcfordafe dies ttott prouocafos, Foc cf iMdecetts s;tF-
jMMxd, n;'s; ad honorem regtt; uel cFr;'sf;'a?te/;'de;; sed in Freu; Frattcie regttMW SMMW FdeMdeFaf cum suis
/ided'FMS uisdare, ef fMttc, s; uedef comparere ef mo?tomacF;'am pefere, proctd duNo oFütteref; sciref^Me
Foc s;'F; missHMi ad urFc LondoniarMW mensis decemFn's tpdfda die. Chronique du Religieux, Bd. 3,
S.56-58.
88 Scd tpu'a wore cordencionHW and;HW e^ccfM pendus carMerMttf. Chronique du Religieux, Bd. 3, S. 60.
Siehe auch Monstrelet, Chronique, Bd. 1, S. 67-69, der die aus dem Streit resultierende Fehde
deutlicher ernster nimmt.
87 Fluizinga, Flerbst, S. 130, spricht von einer ,ritterlichen Fiktion'.
88 Chabas, Duel, S. 194f., zählt für das französische Spätmittelalter auf der Ebene des hohen Adels
15-20 Kämpfe.
8'-' Siehe S. 286, Anm. 56. Dazu auch Vale, Violence, S. 145-148.
80 Juvenal des Ursins, Flistoire, S. 371; Chronique du Religieux, Bd. 1, S. 462; siehe dazu Jager,
Last Duel. Eine Handschrift (zwischen 1470-1480) der CF;w;Fp;cs des Jeatt de Wauritt zeigt, wie
Jean im umzäunten Kampffeld dem König den abgeschlagenen Kopf Jacques' präsentiert:
London, BL, Royal 14 E IV, fol. 267' . Zum Duell insgesamt siehe Jager, Last Duel.
84 Laut Juvenal des Ursins, Histoire, S. 368, wegen fehlender Gründe: Ff /c cottsed du Rot/ respottdd
^;tc fedes matderes de Jähe tt'esfod a sott^rü ttc podd Fottttesfes uc;t ^;t'd tt'i/ auod podd de madere.
 
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