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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0296

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31 Formen interpersoneller Gewalt

295

zu Karl von Navarra nach Evreux und „verschanzten sich dort, wie für den
Krieg.""" Es bleibt unklar, ab der Mord beabsichtigt war, oder ob nicht eher
eine Geiselnahme geplant gewesen war, um von Charles Zugeständnisse zu
erpressen. Seine Rivalen am Hof hatten offenbar keine andere Möglichkeit
gesehen, gegen Charles vorzugehen, als sich direkt gegen ihn zu wenden - als
Favorit des Königs war er auf politischer Ebene quasi unantastbar.
Karl von Navarra wurde schnell als Hintermann ausgemacht und bekann-
te sich einige Tage später tatsächlich zu der Tat. In einem Brief an den engli-
schen König, die Königin, den Prinzen von Wales und den Herzog von Lan-
caster führte er an, Charles habe ihn beleidigt und versucht, ihn und seine
Getreuen zu schädigen, weswegen er ihn habe ermorden lassen. Er bat Eng-
land mit Blick auf die nun erwarteten Auseinandersetzungen um Hilfe, wo-
raufhin in der Tat ein Bündnis geschlossen wurde.""" Am 11. Januar folgten
Briefe an mehrere Städte Frankreichs, in denen Karl die Vorwürfe wieder-
holte und ergänzte, dass Charles ein schlechter Berater gewesen sei und nicht
unerheblichen Schaden im Reich angerichtet habe."" Während Karl gegen-
über England auf der Grundlage des Fehderechts argumentierte, betonte er
im innerfranzösischen Kontext für das Gemeinwohl des Reiches gehandelt zu
haben.
Als Johann II. von der Tat erfahren habe, sei er schwer erzürnt gewesen
und habe geschworen, nie wieder Freude zu empfinden, bis diese Tat gerächt
sei.""3 Während Johann nun zum Krieg gegen Karl von Navarra rüsten wollte,
gaben seine Ratgeber zu bedenken, dass damit wegen dessen Allianz mit
Edward III. auch ein erneuter Krieg mit England heraufbeschworen würde.""""
Der König hatte politisch keine andere Wahl, als Gnade walten zu lassen: Im
Februar 1355 schloss er einen Ausgleichsvertrag mit Karl von Navarra.""^ Des-
sen Taktik, offensiv die Verantwortung für den Mord auf sich zu nehmen,
ging folglich auf. Durch seine Allianz mit England war er persönlich unan-
tastbar und konnte so nicht nur seine Stellung, sondern auch die eigentlichen
Täter schützen.""^
Angesichts der offensichtlichen Machtlosigkeit des Königs regte sich Wi-
derstand am Hof: Einige Berater sahen im Mord am ConnehzHe ein Majestäts-

csfod /an/ i/rc d cn/lamwc cn new Me /c uondod odr ne csfOMdr. Chronique des quatre premiers
Valois, S. 27f.
Tan/osf /cJdf/Mf accompd, dz s'cn rdoMrncmn/ dcwrs /c roi/ de Adtwrc tpu /es ddndod ef deren/
d FurcMX, e/ sdpared/eren/ eomme ponr auo/r d gnerre. Ebd., S. 28.
m Der Brief ist ediert bei Froissart, Oeuvres, Bd. 18, S. 350-354 (Nr. 82). Siehe auch Chronique des
regnes, Bd. 1, S. 38. Zu den Briefen siehe Guenee, Meurtre, S. 105,189.
n2 Überliefert ist der Brief an Reims vom 11. Januar 1355, Documents historiques originaux, S. 25-
27.
n2 Don/ d/:d werued/eMsewen/ coMrc/de, ear H^ee/MeMsewen/ /dmod. FdjMrg wod/gran/ serwen/
t?Me jamds en son CMenr joi/e n'HMrod jMS^nes d ee t?M'd en^MS/ ueng/e. Chronique des quatre pre-
miers Valois, S. 28.
ui Chronique des quatre premiers Valois, S. 29.
ii2 Cazelles, Sodete [1982], S. 157-159.
ui Dies waren vor allem Angehörige der normannischen Adelsfamilie Harcourt. Jean, Graf von
Harcourt, sollte einige Jahre später von Johann II. hingerichtet werden, siehe auch S. 337 und
381 dieser Arbeit.
 
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