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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0302

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31 Formen interpersoneller Gewalt

301

weile hält die Forschung diese Version für glaubwürdiger, zumal selbst Ar-
magnacs kaum versuchten, den Dauphin zu entschuldigen.^
Im Umfeld des erst 16jährigen Dauphins gab es tatsächlich einige ältere
Berater, darunter vor allem Jean Louvet, die sich gegen jede Annäherung an
Burgund aussprachen. Es waren exakt diese ,Hardliner', die in Montereau
anwesend waren: Vier hatten sich zuvor ausdrücklich für einen Mordan-
schlag ausgesprochen, vier weitere waren frühere Getreue der Herzogs von
Orleans und hatten damit ganz eigene Rachemotive ^
Der neue burgundische Herzog und Sohn Johanns, Philipp der Gute, ließ
sich nicht auf traditionelle Rachemechanismen ein.i^ Mit dem Vertrag von
Troyes schlug er sich 1420 auf die Seite Englands und versuchte, den Dauphin
politisch statt physisch zu vernichten: Mit Zustimmung des beeinflussbaren
Königs wurde der Dauphin wegen des Mordes enterbt und der Thronfolge
enthoben. Statt ihm sollte nach dem Tod Karls VI. der englische König den
französischen Thron besteigen. Der Dauphin beharrte hingegen darauf, in
Notwehr gehandelt zu haben und verzichtete folglich bewusst auf jede aus-
führlichere Rechtfertigung. i56 ßei der erneuten Annäherung an Burgund ver-
wies er 1425 schließlich entschuldigend auf seine Jugend und darauf, schlecht
beraten worden zu sein.'57 Philipp der Gute musste Zeit seines Lebens dem
nunmehrigen König Karl VII. wegen des Mordes von Montereau keinen
Lehenseid leistendes

Praktiken und Bewertungen
Die vier Attentate weisen in ihren Hergängen deutliche Parallelen auf, die im
Folgenden anhand der Kategorien Ort, Zeitpunkt, Beteiligte und Motive, Re-
aktionen und Erinnerung sowie Darstellungsart vergleichend untersucht
werden.
Ort: Die Anschläge auf Olivier de Clisson und Ludwig von Orleans fan-
den mitten in Paris statt, das als Hauptstadt das Zentrum des politischen Le-

153 Guenee, Meurtre, S. 285f. Zu den zwei Versionen: Minois, Couteau, S. 67; Vaughan, John,
S. 274-286; Schnerb, Armagnacs, S. 267-275. Siehe besonders die Darstellung bei Juvenal des
Ursins, Histoire, S. 553-555, der beide Versionen abwägt, letztlich aber auf Seiten des Dauphins
steht. Auch Basin, Charles VII, Bd. 1, S. 72, betont, der Ablauf sei umstritten. Eine recht ausge-
wogene Schilderung findet sich in Les chroniques du Roi Charles VII, S. 92.
154 Minois, Couteau, S. 65f.; Guenee, Meurtre, S. 274-279; Schnerb, Armagnacs, S. 267-270; Ehlers,
Ludwig von Orleans, S. 118. Die in Montereau Anwesenden wurden zunächst großzügig vom
Dauphin entlohnt. Als sich dieser 1425 wieder Burgund annäherte, fielen sie jedoch in Ungna-
de, ohne aber juristisch belangt zu werden.
155 Dazu und zum Vertrag von Troyes 1420: Schnerb, Armagnacs, S. 275-298; Guenee, Meurtre,
S. 283-285; Kintzinger, Maleficium, S. 95f.; Schnerb, L'Etat, S. 172-176; Vaughan, Philip the
Good, S. 5f. Der Text des Vertrags findet sich bei Cosneau: Les grands traites, S. 102-115.
156 Kintzinger, Maleficium, S. 93; Guenee, Meurtre, S. 284f.
157 Guenee, Meurtre, S. 287.
158 Zum Vertrag von Arras 1435 siehe Paravicini, Neuer Staat, S. 26-28; Schnerb, L'Etat, S. 184—
188; Dickinson, Congress. Der Text des Vertrags findet sich bei Cosneau: Les grands traites,
S.116-151.
 
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