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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0304

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31 Formen interpersoneller Gewalt

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völlige Dunkelheit herrschte'^ (siehe Abb. 4, S. 436). Auch die Gruppe um
Raoul d'Anquetonviüe trug 1407ihre Waffen verdeckt.'^
Pragmatisch gesehen dürfte die Dunkelheit einen Hinterhalt und die spä-
tere Flucht erleichtert haben. Moralisch jedoch widersprach eine Tat in Dun-
kelheit und Anonymität allen Regeln der offenen und damit akzeptierten
Konfhktaustragung, da die Täter nachts unerkannt Hieben."^ Froissart zufol-
ge fragte Olivier de Clisson 1392 seine Attentäter quasi reflexhaft, wer sie
seiend und Ludwig von Orleans rief 1407 in der Darstellung Monstrelets
sofort seinen Namen aus, um die Angreifer aufzuschrecken. Die Angreifer
hätten jedoch nur geantwortet: „Und nach Dir verlangen wir!" - ohne sich
aber selbst erkennen zu geben A"
Beteiligte und Motive: Die Attentäter, oft niedrige Adlige (Pierre de Cra-
on, Raoul d'Anquetonviüe), erscheinen primär als Werkzeug mächtiger Fürs-
ten (Karl von Navarra, Jean Montfort, Johann Ohnefucht, der Dauphin Karl),
die einen politischen Rivalen beseitigen wollten. Sie alle hatten aber auch ein
persönliches Rachemotiv, das in den Chroniken mitunter ausführlich darge-
stellt wird. Mehrfach wird betont, dass ihre Zielperson für sie nicht offen
angreifbar war, weil es selbst zu mächtig gewesen sei oder zumindest unter
dem Schutz mächtiger Fürsten gestanden habeW Die Mordanschläge werden
so zumindest teilweise aus der adligen Rachekultur heraus thematisiert: Die
Attentäter erscheinen als Personen, die darauf brennen, ein ihnen widerfah-
renes Unrecht zu rächen. Die Möglichkeit dazu wurde ihnen aber erst durch
die Hilfe eines mächtigen Fürsten eröffnet. Aus adliger Sicht konnte das Ra-
chemotiv die jeweiligen Attentäter womöglich noch rechtfertigen, das An-
heuern von Mördern aber stand im deutlichen Widerspruch zur bewusst auf
Transparenz angelegten adligen Konfliktkultur: In dem Maß, in dem affektive
Tötungen (/tomzczde) zumeist entschuldigt wurden, schockierte die kaltblütige

i66 Froissart, Oeuvres, Bd. 15, S. 9; Juvenal des Ursins, Histoire, S. 388
16? Fes dZx-ZinZt Ziommes dessnsdis, (?ni estoient ronuertement armez, Z'artendoZent anpres d'nne maison.
Monstrelet, Chronique, Bd. 1, S. 156.
168 Gauvard, Violence commanditee, S. 1014f.
169 Froissart, Oeuvres, Bd. 15, S. 9.
170 FZ adonr, ZedZt dnc, uoZant rede miede entreprinse Hins; estre Jncte roMZre tni, s'esrrZa assez ZianZt; Je
snis Ze dnc d'OrZeansP FZ nncnns d'Zcendx respondireMt, e?i JinuiZ snr Zni; ,C'esZ re (?ne nons deman-
donst' Monstrelet, Chronique, Bd. 1, S. 156.
171 Zu Charles d'Espagne: FZ en manacZerent roMuerZewenZ Ze dZZ roMMesZaZde; maZs ZZ ne ZZ osoZZ JäZre
nnZZeJdonnie, ponr Ze canse don roi/ ^n'ZZ ne uoZoient mZes conroncZer f.. J eZ sauoit Zn'en ^ne r'esZoZZ
Z'omme don monde, aprZes ses en/äns, t?ne ZZ roZs amoZt Ze mZendz. Froissart, Chroniques (SHF), Bd. 4,
S. 129 (1,343). Ähnlich: Chronique dite de Jean de Venette, S. 130. Zu Ludwig von Orleans: Pro-
dZrZoMew igitnr pessZmo actn ar pejore exempZo aggressns, rum paZam sZZn' MorerZ non posset, compZZces
ZnZ^nZssZmos sZZn' sZmZZes tpierens, /arZa roMspZrarZone. Chronique du Religieux, Bd. 3, S. 734. Zu Jo-
hann Ohnefurcht: Fes^neZz, graut espare de temps parauant, auoZent roMeZud, jure et promZs Z'nn
auec^nes Z'andre, de mener <JZn reste Ziesongne; comme iZz/irent. Ft mesmement f.. J enrent uonZente et
entenrZon de Z'arZieuer, maZs Zors Jnt deZaZsse, ponr re t?ne ZedZt dnc de Bonrgongne auoit Zors trop graut
pnZssance degens d'armes en sa compaZgnZe, et anssZ ^ne ZesdZrtes partZes estoZent pres Z'nn de Z'andre en
pZeZns rZiamps, par ^noi/ ZZ enst conuenn ^n'ZZ i/ enst en trop grant mesrZnJentre irentx. Monstrelet,
Chronique, Bd. 3, S. 345. Siehe auch Journal de Fauquembergue, Bd. 1, S. 318.
 
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