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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0314

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31 Formen interpersoneller Gewalt

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war eine Tochter des französischen Königs Ludwig X.). Sein mangelnder Er-
folg in der französischen Politik jedoch dürfte ihn getrieben haben, zu ande-
ren, unüblicheren Methoden zu greifen, um seine Interessen zu verfolgen.
Nach Kintzinger resultierte die Bereitschaft, Gift einzusetzen, vor allem
aus verfahrenen Situationen, die zumindest einer Partei nicht auf regulärem
Weg lösbar schienen.^' Angesichts der Verstrickungen Jakobäas vom Henne-
gau in mehrere zumindest des Giftmords verdächtige Fälle, fragte Bousmar
rhetorisch, ob es wirklich wundere, wenn sie angesichts der durch Attentate
(oder zumindest Attentatsverdächtigungen) geprägten politischen Kultur
ihrer Zeit auch selbst zu diesem taktischen Mittel gegriffen habe, um ihre
Interessen als Gräfin des Hennegau durchzusetzen3^ Durch das Machtvaku-
um, das Karl VI. aufgrund seiner Krankheit hinterließ und die zunehmend
auch durch interpersonelle Gewalt ausgefochtenen politischen Auseinander-
setzungen wurde die Tötung durch Gift zu einem durchaus denkbaren politi-
schen Instrument: Vergiftungen, das zeigen die zahlreichen Thematisierun-
gen in den historiographischen Quellen, waren zwar moralisch negativ kon-
notiert, aber anscheinend kein absolutes Tabu der politischen Kultur mehr.

Angst und Schrecken
Die scheinbar allerorts drohende, unsichtbare Gefahr der Vergiftung führte
zu einer Ausbreitung der Angst, wie sie ebenfalls in den Chroniken beschrie-
ben wurde. Häufig kamen vor allem bei unerwarteten Todesfällen bekannter
Personen Gerüchte über eine Vergiftung auf, wohl weil ein plötzlicher,
scheinbar unerklärlicher Tod - damals wie heute - Verschwörungstheorien
geradezu provozierte. Beim Tod Bertrands du Guesclin wurde 1380 ebenso
über eine Vergiftung spekuliert, wie bei Karl V. im selben Jahr/33 Bei Pierre
Aycelin de Montagu, dem sogenannten Kardinal von Laon 1388^4 und bei
den frühen Toden der Dauphins Louis (1415)^5 und Jean (1417)^6. Die den
Zeitgenossen unerklärlich erscheinenden Todesfälle schürten Ängste, so dass

Kintzinger, Maleficium, S. 80f.
232 Bousmar, Jacqueline de Baviere, S. 88, führt als Fälle die Tötungen von Guillaume van den
Berghe (1419) und Jean de Baviere (1425) an, sowie das Attentat auf Philipp den Guten (1433).
233 Zu Bertrand du Guesclin: Chronique normande de Pierre Cochon, S. 158. Im gereimten
Lobgedicht Cuveliers stirbt du Guesclin geradezu logischerweise einen guten, weil vorbereite-
ten Tod, Cuvelier, Chanson, Bd. 1, S. 474-476, V. 24231-24346. Karl V. wurde Froissart zufolge
schon früher von Karl von Navarra vegiftet. Die Erkrankung habe seinerzeit durch einen Arzt
des Kaisers geheilt werden können, sei dann aber 1380 wieder akut geworden, Froissart, Chro-
niques (liv. I & II), S. 788f. (11,34).
234 OpplnaniMr nowiMlli <.'Hwi ocncno dato inicriscc. Chronique du Religieux, Bd. 1, S. 562.
235 Po:ir la wort dupMel/MreniJäls grans pleurs cf lameniacions de plMsieMrs Seigneurs ei andres ses serui-
fCHrs. Ef /id eoHiiiiHHC renommee tpTil aooii esfe empoisonne. Monstrelet, Chronique, Bd. 3, S. 131.
Siehe auch Journal d un Bourgeois, S. 132 (§229).
236 iMkm'cafMS, Mt assereFanf aläpd, sed, nt uerinsjätear, dolore/isüde, tpie prope aMricMam clausa aposfe-
ma mortale procreaueraf, gradier anxiafns. Chronique du Religieux, Bd. 6, S. 60, siehe auch ebd.,
S. 76; Journal d un Bourgeois, S. 132 (§229).
 
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