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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0327

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326

IVI Problematisierungen

sollte .Justiz geübt werden, so dass man sich überall an sie erinnern und an
ihr orientieren würde.
Die Wirkung und Intention solcher öffentlichen Inszenierungen ist durch
ihre relative Seltenheit bedingt und zeigt sich auch anhand des Widerhalls,
den sie in Chroniken fanden. In historiographischen Texten werden Strafen
meist exemplarisch geschildert und zeigen so noch in schriftlicher Form ihre
Wirkkraft als erschreckende Schauspiele und obrigkeitliche Machtdemonstra-
tionen.58 Chastellain etwa ließ den Brüsseler Brandstifter auf dem Scheiter-
haufen schließlich Reue bekennen: Er rief um Vergebung und mahnte die
Anwesenden in eindringlichen Worten, sich an seinem Schicksal ein Beispiel
zu nehmen und um ihrer selbst willen ein besseres Leben zu führen.^ Mit
diesen Worten, so Chastellain. rührte er die Herzen der Anwesenden derma-
ßen. dass sie aus Mitgefühl in Tränen ausbrachen. Bevor er starb, rief der
Sterbende Gott um Gnade an. ..Sein Ende wurde als eines der schönsten er-
achtet. das man je gesehen habe."6° Die Zuschauer, so vermittelt die Schilde-
rung. waren von der Wirkung der Hinrichtung tief ergriffen und reagierten
mit großer EmotionalitätA Die ..Schönheit" der Strafe lag in ihrer doppelten
moralischen Wirkung: einerseits in der Reue des Bestraften und andererseits
in der emotionalen Bewegtheit der Anwesenden. Bei Chastellain hat diese
Episode folglich als Exempel für eine .gute Justiz' ihren Platz, deren Schre-
cken erregende Exemplarizität ihm bereichtenswert erschien.^

413.2 Praktiken der Körperstrafe
Damit die Strafen sowohl ihren erzieherischen Charakter in Bezug auf die
Zuschauer als auch ihre diffamierende Wirkung auf die Bestraften ausüben
konnten, mussten sie lesbar sein. Klassisch wurde dies mit Spiegelstrafen
erreicht, also Strafen, die in ihrer Form das Verbrechen spiegelten, das ge-
sühnt werden sollte. So war der Feuertod, wie ihn Chastellain im Brüsseler

5? fcffcjMsffcc ^M'ff CM soff memoire ef exempfe parfoMf. Nicolas de Baye. Journal [1885-1888].
Bd. 1. S. 113 (ad a. 1404). Auch die Bewohner von Charos forderten 1362. dass Diebe und
Plünderer exemplarisch und ohne Begnadigung bestraft werden sollten: 7fem. (?Mod J...J dfcfos
maf Jfcos. jMxfH eorMm demerfM pMMMf. sic cf fdifer, (?Mod SHfis/iHf reipMMicHe, Mf eorMm pMMfffo CHefe-
ris ÜHMseaf iM exempfMm, cf (?Mod ipsiMS. MMÜH grafm/mf. Moisant. Prince Noir. S. 197f. Dazu auch
Christine de Pisan. Livre de la paix. S. 95 (11.5): Lcs mcHum's n'oscronf persecMfer fcs Ams poMr cc
(?M'ifz saroMf New t?MC fc droifHric jHSficc fcs pMgMfroff. The Book of Chivalry. S. 178; Philippe de
Commynes. Memoires. Bd. 1. S. 284 (IV.9). Siehe dazu Thomas. Corps violent. S. 80f.; Gauvard.
Grace espedal. S. 227. Zum Belehrungscharakter van Eickels. Gewalt. S. 47; Gonthier. Chati-
ment. S. 184—190.
58 Gauvard. Grace especial. S. 50-53; Gauvard. Violence et ordre public. S. 177 und 185f.; Charey-
ron. Crimes. S. 110f.; Mills. Suspended animation. S. 16f.. begreift die chronikalischen Schilde-
rungen von Hinrichtungen noch als Teil ihrer obrigkeitlich intendierten Wirkung. Zur Erinne-
rung an Hinrichtungen siehe Gauvard. Memoire.
5'' Chastellain. Oeuvres. Bd. 3. S. 461.
80 Ef/Mf sa/fM recommHMdeee fa pfMS fvffe t?MC PoM Huoif OMC^Mes CMC. Ebd.. Bd. 3. S. 462.
Siehe dazu Gonthier. Chatiment. S. 188f.
62 PcM^HMf CC femps f-.J/Mf frOMUe Cf mfse SMS CM BrMSSCffcS MM frCS-f?OUfMc MMMMÜC & JMSffcfer fcs
fWMfc/CMS. &)Mf ff 1/ HUOff M!MffffM& HM pHl/S. Sl/ CM COMUfCMf COMfCC f<! CHMSC pOMr ^MOl/ Cf f<! WHMfcrC &
Jäfre. Chastellain. Oeuvres. Bd. 3. S. 460.
 
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