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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0335

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334

IVI Problematisierungen

königsnahe Chroniken stilisierten die Hinrichtung zweier treuer Diener des
Königshauses durch eine detaillierte Schilderung zu einem lehrreichen
Exempel, das die Illegitimität der Aufständischen auf zeigen sollte. Der ge-
quälte Körper des Henkers wurde als Fingerzeig Gottes gedeutet, der damit
auf das vor sich gehende Unrecht hinwies.
Öffentliche Hinrichtungen dienten der Kommunikation zwischen Obrig-
keit und Volk, durch die Machtansprüche gefestigt und moralische Grenzen
behauptet oder gesetzt wurden3°° Der Körper beziehungsweise die Leiche
des Verurteilten war die Projektionsfläche dieser Inszenierungen, die de-
monstrativ ausgeübte Gewalt das Medium."" Die Übertragung dieses funkti-
onalen Prinzips auf einen als aktiv eingreifend imaginierten Gott zeigt deut-
lich, wie stark die Gesellschaft von der Bedeutung sichtbarer Gewalt geprägt
und überzeugt war.

413.3 Die Durchsetzung königlicher Justiz - und ihre Probleme
Es war keine Selbstverständlichkeit, dass die Obrigkeit ihre Vorstellungen
von Justiz durchsetzen konnte. Die Straflosigkeit vieler Plünderungen wurde
häufig beklagt und machte so das Problem auf alltäglicher Ebene deutlich."^
Mächtige Fürsten wiederum wussten sich durch ihre Stellung vor dem Zu-
griff des Königs zu schützen, so dass auch ihre Bediensteten oder Amtsträger
nur selten vom König zur Rechenschaft gezogen werden konnten. So etwa
Jean Betizac, Finanzbeamter des Herzogs von Berry im Languedoc, der im
Volk verhasst war und 1389, als Karl VI. in den Süden reiste, angeklagt wur-
de. Um die Protektion Berrys zu umgehen, die früher oder später zu Betizacs
Freilassung geführt hätte und die wiederum dem Volk kaum zu vermitteln
gewesen wäre, wandten die Berater des Königs einen Trick an: Man sugge-
rierte dem Angeklagten, der König sei kurz davor, ihn zum Tode zu verurtei-
len. Sein einziger Ausweg sei, sich der Häresie schuldig zu bekennen, weil
dann der Papst den Fall übernehme, es aber aus Angst vor Jean de Berry nicht
wagen werde, ihn zu richten. Jean Betizac willigte ein und gestand seine ver-
meintlichen Häresien - was der König jedoch zum Anlass nahm, ihn sofort
verbrennen zu lassend^ Die Chronisten verurteilten dieses Vorgehen nicht.

CMWC per /a FoMcdc; doMf p/MSCMrs de Pens mMUMMroZcMf, d/sHMS tpre re csfod wÜHc/c, cf t?M'd dcspddsod
e D;'cM de ee tpic Pen /cspdsod wion'r senz eeuse. Chronique des regnes, Bd. 1, S. 179f. Ähnlich auch
Chronique de Richard Lescot, S. 128f.; Chronographia regum francorum, Bd. 2, S. 268f.; Chro-
nique normande, S. 126. Die Chronique des quatre premiers Valois, S. 82, erwähnt nur eine
„plötzliche Krankheit" des Henkers.
100 Vg). dazu Hinck, Gewalt, S. 82. Zur Abbildung siehe auch Morel, Iconographie, S. 271, Fig. 147.
101 Martin, Mentalites [2001], S. 260, mit Verweis auf Gonthier, Chätiment, S. 140-171.
102 Beispielhaft in der Chronique dite de Jean de Venette, S. 284. Das Problem spiegelt sich sogar
in Ordonnanzen, etwa wenn Karl VI. 1438 anerkannte, dass viele Übeltäter nicht bestraft wür-
den, wie es ihnen gebühre, Ordonnances, Bd. 13, S. 296 (Karl VI., 1438): N'cM csfjd/cfc pHndion
g;'Msi/ tpFd appgrdcMf, poMr cc tpre /cs MMf/d/cfcMrs sc dc/idcMf, aFscMfcMf & rcfndcMf CM /cMrs gandsoMS,
OM HMücmcMf, CM MMM/crc t?MC OM MC /cs pcM/ Huoü MC apprcdcMdcr.
103 Froissart, Chroniques (liv. III & IV), S. 400-410 (IV,7). Kürzer auch in der Chronique du Reli-
gieux, Bd. 1, S. 628-630. Siehe dazu knapp Gonthier, Chätiment, S. 165; Gauvard, Gräce et exe-
cution, S. 283.
 
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