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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0341

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340

IVI Problematisierungen

Ertränken galt tatsächlich als diskrete Art des Tötens und wurde als solche
bewusst eingesetzt: Nachdem es 1382 nach ungefähr einem Dutzend öffent-
licher Hinrichtungen von Aufständischen in Rouen zu Protesten gekommen
war, wurde der Rest der für schuldig befundenen heimlich ertränkt, um kein
weiteres öffentliches Aufsehen zu erregenA' In anderen Fällen wurden auch
prominente Mitglieder der adligen Elite ertränkt, was von den Chronisten als
eine Hinrichtungsart interpretiert wurde, die auf Heimlichkeit zielte. Dies
kann exemplarisch der Fall des Louis Bourdon zeigen, der 1417 in der Seine
ertränkt wurde. Die genauen Hintergründe seiner Festnahme sind unklar:
Monstrelet berichtet von einem nachlässigen Gruß dem König gegenüber; als
enger Vertrauter der Königin, Isabeau de Baviere, mag Louis aber auch we-
gen ihres skandalösen Lebenswandels in Ungnade gefallen sein, so dass die
Armagnacs womöglich die Gelegenheit nutzten, um Louis aus dem Weg zu
räumen (zumal Isabeau sich kurz zuvor mit Johann Ohnefurcht verbündet
hatte) 332 Michel Pintoins Kommentar, man habe Louis heimlich nachts er-
tränkt, damit nicht öffentlich über den Fall geredet werde, impliziert durch
die Anspielung auf den Topos der Nacht und die Heimlichkeit Kritik, da ge-
rade die Öffentlichkeit eine legitime Hinrichtung ausmachte.i33 Auch die
Schilderung des burgundischen Chronisten Jean de Roye zeigt dessen Unmut:
Er berichtete, auf dem Sack, in dem man Louis Bourdon ertränkt habe, soll
„lasst die Gerechtigkeit des Königs ziehen" 134 gestanden haben. Dem König
wird damit unterstellt, das heimliche Ertränken als legitime Strafpraktik aus-
gegeben zu haben. Indem Jean das Sinnbild des heimlichen Beiseiteschaffens
mit der königlichen Justiz verknüpfte, verwies er auf die moralische Ver-
kommenheit der politischen Kultur.
Einen ähnlichen Weg schlug auch Thomas Basin ein, der das Strafgericht
Ludwigs XI. nach dem Ende der Eigne dn Inen pnMic 1466 für eine unumwun-
dene Kritik nutzte. Einige Adlige, die nach dem Aufstand an das Amnestie-
versprechen König Ludwigs geglaubt hätten, seien festgenommen und auf
seinen Befehl ertränkt oder anderweitig umgebracht worden. Damit, so Basin,
hätten sich die Tiraden Senecas über die Schlechtigkeit von Fürsten und ihrer
Höfe bewahrheitet.^ Das Ertränken steht hier exemplarisch für die ,schlech-

piMS parie. Christine de Pisan, Livre de la paix, S. 122 (111,5). Siehe zum Ertränken Gonthier,
Chätiment, S. 160f.
Siehe S. 246, Anm. 140.
132 Monstrelet, Chronique, Bd. 3, S. 175; Journal d un Bourgeois, S. 98f. (§161); Chronique du
Religieux, Bd. 6, S. 70-72. Siehe dazu Oschema, Freundschaft, S. 414f.; Autrand, Charles VI,
S. 519f.
133 Ne SMper e/MS sceiere UMigMS ampÜMS io^MeretMr, non mortem pMhiice capitis ampMtacione adjMdicatMS
est SMidre, sed secrete et SMh iMtempesta nocte in pro/hmiMm /Mfü Secane proJectMS et SMbmersMS est.
Chronique du Religieux, Bd. 6, S. 72.
134 Et apres, par ie commandement dM roi/, /Mt (/Mestiomie, pMis /Mt mis en MMg saci? de CMir et gecte en
Saiwe; SMr ieipiei saci? auoit escript; ,Eaissiez passer ia /Mstice dM roi// Chronique de Jean le Fevre,
Bd. 1, S. 292. Verweis bei Oschema, Cruel end, S. 184f.
135 p/Mres tarnen, tpu de ea miwMS consMite cor/isi erant, depredensi, a^MarMm gMrgitiiiMS, uariis in iocis
(proed doiori) e/MS precepto si/^bcati et extincti /lenint, uei uariis SMppiiciis a(Jecti; ita Mt, i/Mod oiim
noidiis EragicMS cecinit; ,Non intrat Mm/Mam regiMm iimen/ides', et item; /Mra pMdon/Me / et con/Mgii
 
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