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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0354

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11 Töten und Sterben

353

112 Sterben
Der Tod im Kampf war, sofern er nicht auf ritterlichen Vorstellungen beruhte,
„grausam" und damit äußerst negativ konnotiert. Anders formuliert: Trotz
aller Kampfeslust war das Sterben aus ritterlicher Sicht idealtypisch uner-
wünscht.^ Dies spiegelt sich im Lob, das Jean de Bueil König Karl VI. zu-
kommen ließ, weil dieser die Normandie „ohne Widerstand oder Rebellion
und ohne großes Blutvergießen"^" erobert hatte. Ein Kriegszug oder eine
Schlacht ohne große Verluste entsprach eher dem ritterlichen Ideal als ein
Blutbad. Das Zitat aus dem /onuoicd zeigt jedoch auch, dass der Tod als Mög-
lichkeit präsent war und stets mitgedacht wurde.

Todesmut...
Die Präsenz der Todesgefahr zeigt sich unter anderem in ihrer bewussten
Negierung. Georges Chastellain etwa ließ kämpfende Ritter „tapfer, ohne
Schrecken oder Todesangst" in die „tödliche Gefahr" eines Kampfes reiten
und spielte damit auf ein etabliertes Motiv ritterlicher Heldenhaftigkeit an:
kühne Todesverachtung^ So sah Geoffroi de Charny gute Krieger unter an-
derem dadurch charakterisiert, dass sie keine Angst vor dem Tod hätten,
sondern sich vielmehr danach sehnten, ehrenvoll zu sterbenA Damit sollte
die mögliche Angst im Kampf idealerweise durch vorwärtstreibende Tapfer-
keit und das Streben nach Ehre ersetzt werden A Zwar wurden Kühnheit
(andacm) und Furcht (ümor) bei Johannes von Legnano nach ihrer situativen
Angemessenheit gegeneinander abgewogen und die Furcht im Kampf als
durchaus nützlich erkanntA In historiographischen Schilderungen aber
überwog das ritterliche Ideal: 1366 habe Bertrand du Guesclin seine Krieger
vor dem nordspanischen Burgos aufgefordert, keinesfalls aus Angst zu flüch-
ten,^ und die Weigerung König Johanns II., aus der Schlacht von Poitiers zu
fliehen, wurde in der Chronistik der massenhaften Flucht der ängstlichen

29 So erklärt Bonet, Arbre, S. lOlf. (IV,13), dass auch der gegnerische Anführer Gnade (misericor-
de) verdient habe.
20 Mist foMfe CMi/eMMe cf fe pnfs nppeMdHMf eM soM odei/ssHMce cf SMdJecffoM, SHMS resfsfeMce OM redefffoM cf
SHMS grHMf CjfjMsioM de SHMg. Jean de Bueil, Jouvencel, Bd. 1, S. 30. Zum positiven Nachleben
Karls VI., der auch als fc dfeM-Afwe bekannt ist, siehe Guenee, Folie, S. 263-271.
VafNamwcMf, saus e^froi/, Mi/ pnoMr & morf, comdHfHMf MinfM d MinfM d ccMX & dedHMS d merueiffe,
perfffeMseweMf cf cn morfef langer. Chastellain, Oeuvres, Bd. 1, S. 142.
22 Ff fg OM ff cdgfffs OMf grgMf eMufe de ufure ef grgMf pgoMr de moMrfr, c'esf foMf HM coMfrgfre des doMs; egr
HMS doMS Me cdgMf d de feMr ufe Me de woMrfr, mgfs ^Me feMr ufe soff doMMe H woMrfr doMorgdfeweMf. The
Book of Chivalry, S. 126.
22 Kaeuper, Chivalry and violence, S. 165f.
24 Giovanni da Legnano, Tractatus de Bello, S. 98 (Kap. 21).
22 Ff eMcoires ee dMrgMf se feMoieMf fes FrgM^ofz, c'esf gssguofr MioMsefgMeMr BerfrgM de Cfgci/MfM, fe wgres-
edgf d'AMdreffeM ef fe BesgMe de VfffgfMes ef feMrs roMfes. Ff eMdgffofeMf ces dfz sefgMeMrs feMrs geMS
d'grwes eM feMr dfsHMf i/Me MMf poMr pgOMr Me uoMsfsf /ofr. Chronique des quatre premiers Valois,
S. 180.
 
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