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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0355

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354

VI Vertiefungen

französischen Ritter als strahlendes Beispiel gegen Übergeste] Während
diesen Rittern nach 1356 der Vorwurf der Feigheit und Disziplinlosigkeit
entgegenschiug, ging Michel Pintoin eine Gruppe junger Krieger noch deut-
lich härter an - und spiegelte damit ebenfalls die Vorstellung, dass es besser
sei im Kampf zu sterben, als zu fliehen: Einige junge Normannen hatten sich
1404 aus Verdruss über ihre andauernde Untätigkeit entschlossen, die Süd-
küste Englands anzugreifen. Deren Bewohner aber setzten sich derart heftig
zu Wehr, dass die Krieger bald flüchteten. Pintoin urteilte, sie hätten gänzlich
unwürdig um die Schonung ihres Lebens gebeten, statt bis zum Ende mutig
weiterzukämpfen.37 Eine solche unehrenhafte Gefangennahme war selbst für
den Kleriker aus St. Denis schlimmer als ein ehrenvoller Tod im Kampf, wo-
mit das Unternehmen der jungen Männer für ihn zum negativen Exempel für
unerfahrene Kühnheit (pro Uozenzno zzitsit)^ wurde.

.. .und Todesangst
Schilderungen expliziter Angst sind selten. Beiläufig wurde die Sorge um das
(Uber)Leben thematisiert, wenn der Czzp/Ezme einer Stadt kapitulierte, um das
Leben seiner Männer zu schützen A Seine Charakterisierung als „mehr um-
sichtig denn grausam" zeigt, dass Chastellain dieses Vorgehen durchaus posi-
tiv beurteilte. Ein solches Abwägen von Nützlichkeiten dürfte genau dem
Mittelmaß zwischen Kühnheit (dM&c/a) und Furcht (ümor) entsprechen, das
auch fohannes von Legnano in seinem Traktat gefordert hatte/"
Eher kritisch scheint dagegen der Hinweis der C/irom^Me dos pitzzbT prom/ors
VdZozs gemeint zu sein, einige Krieger seien 1364 bei der Schlacht von
Cocherel aus Angst vor den heftigen Schlägen auf ihren Pferden geblieben,
statt mit den anderen Rittern zum Kämpfen abzusitzend' Das Absitzen war
eine durchaus normale Taktik, jedoch war ein Krieger zu Fuß deutlich leichter
verwundbar. Während hier einige Kampfteilnehmer bewusst versuchten.

36 Chronique dite de Jean de Venette, S. 146. Siehe auch Chronique normande de Pierre Cochon,
S. 88f.; Chronique des regnes, Bd. 1, S. 72. Interessant ist hier die Schilderung eines anonymen
Traktats von 1357, der Ritter wie Volk gleichermaßen wegen der feigen Flucht aus der Schlacht
von Poitiers kritisiert: Vernet, Tragicum argumentum, S. 150 (§13).
37 New niod/oi eZ (?MHsi MM/di res/sZeMc/H^dcZg, ZHMdew ad dosZZ/iMS c/rcMMisepZ/, uicZi ZMrp/Zer SMdcM/iMe-
niMZ. Sic deuicZi SMC^MC ModZ/ZZaZ/s iMiMiemores, armis deposiZis, uiZHMi iMdigMH SMpp/ioicioMe werMerMMZ,
uiri/iZer decerZHMdo exce/ZeMciMS ^Mem/ impeMdisse cf exemp/i ad posferos A^oradi/ioris. Chro-
nique du Religieux, Bd. 3, S170.
33 Ebd.
39 Pt wo?! ueM/diM/ csZrc oiMse de worZ d HMZrcs Mod/es doMimes de soM parZi/, i/Mi /d apres poMrroieMZ esZre
assieges comme eMX eZ poureweMZ seeoMCMS, /Mi/, doniwe de gMerre p/MS discreZ i/Me crMe/, /es so:/)Jp/ par-
Z/r, /eMrs corps eZ /eMrs dieMS SHMves, auec MM (/MHMZiZe de ceMX i/M'i/s i/ auoieMZ gagMes. Chastellain,
Oeuvres, Bd. 1, S. 98 (ad a. 1419).
40 Siehe S. 353, Anm. 34. Philosophischer Hintergrund dürfte dafür die MesoZes-Lehre Aristoteles'
sein, vgl. dazu S. 319, Anm. 13.
Ees deMX parZ/es u/MdreMZ /'MMe coMZre /'gMZre d pie, /es g/aices eM po/Mg; eZ MMe roMZe des BreZoMS de-
MioMni d c/ieug/ auec /es pages eZ /es dagaiges. En /gt?Me//e roMZe esZo/eMZ dieM deMX ceMS doniwes. EZ auec
ZccM/x se Mi/sZreMZ ceidx tpiZ cco/enZ pcoMr des dorioMS. Chronique des quatre premiers Valois,
S. 146. Zum Motiv des ,Absitzens' vom Pferd siehe Kortüm, Kriege, S. 99f.; Kaeuper, Chivalry
and violence, S. 171-176; Vale, War, S. lOlf.
 
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