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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0364

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21 Körper und Körperlichkeit

363

Das Bild des „Schlachters" changiert folglich zwischen Bewunderung und
Ablehnung. Auch Georges Chastellain beschreibt anlässlich einer Schlacht im
Jahr 1421 in einer eindrücklichen Passage einen solchen „Schlachter":
„Es ist wahr, dass es unter ihnen einen gab, der an jenem Tag zum
Ritter geschlagen wurde, Jean Vilain genannt, ein Edelmann von gro-
ßer und stattlicher Gestalt, grobschlächtig, voller Kraft und Gewalt,
mit hohen Augenbrauen und großen, grausamen und funkelnden
Augen. Er saß auf einem mächtigen Schlachtross, wundersam groß
und mutig, wie es auch nötig war, denn es trug die Last für zwei. Im
größten und tödlichsten Gedränge, wo seine Feinde besonders hoch-
mütig waren, ritt er mit losen Zügeln und einer schweren Axt in den
Händen, die niemand sonst heben könnte und schwang die Axt mit
beiden Armen vor sich. Auf eine so entsetzliche Art, wie es niemals
zuvor gesehen wurde, tötete er Menschen wie ein Metzger die Rinder,
zerschmetterte Pferdeköpfe, tötete Krieger, kehrte Tapferkeit in
Schrecken, flößte Mut und Kraft ein, nutzte seine Arme wie Blitze
und wie ein Mann aus Stahl der niemanden fürchtet, sondern vor
dem alle fliehen; er schien wie ein Schläger, ein professioneller Mör-
der, mehr Teufel als Mensch."^
Chastellain fährt in seiner Beschreibung Jean Vilains weiter fort und be-
schreibt, dass andere Ritter ihn erschreckt beobachtet und nicht gewagt hät-
ten, sich ihm zu nähern, sondern sich lieber zu Boden fallen ließen, als einen
Hieb abzubekommen. Schließlich hätten Jean und sein Pferd sogar Schaum
vor dem Mund gehabt. Diese Schilderung Chastellains ist Teil seiner Darstel-
lung des Gefechts bei Mons-en-Vimeu (Dep. Somme) 1421. Den dortigen Sieg
der Bourguignons über die Armagnacs erklärt er vor allem durch die flämi-
schen Krieger/" denen er wie viele andere Chronisten auch eine wilde Roh-
heit zuschrieb (vgl. dazu S. 175). Jean Vilain darf als literarische Personifizie-
rung dieser ,Hämischen Grobheit' gelten, die ebenso abschreckend wie effek-
tiv war.
Wie sehr Chastellain die Figur des flämischen Ritters stilisierte, wird im
Vergleich zur Vorlage in der Chronik Enguerrand Monstrelets deutlich, die

9 Si/ es/ unn/ ipie eM/re eMX eM i/ auo// MM ipi/ es/od A?/ rdeua/Zer ce/Mi/ /OMr, MOMiwe mess/re JediiM VZ/a/M,
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e/ gros i/eMX dMreweM/ e/A?Midoi/eMX. Ces/Mi/ es/o/Z woM/e SMr MM dHM/ pM/ssHM/ des/r/er, MierueZ/-
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di p/MS dMre e/ mor/e//e presse di o:i ses eMMem/s es/o/eM/ eM /eMr p/MS /MM/ orgMed, d u/M/ d dr/de adüM-
doMMee e/ d'MMe pesHM/e daede eM ses MMiMS, i/Me MM/ M'eMs/ peM soMrdre, e/ d deMX dras a/Zod rMHM/ e/
riMMOMHM/ deuHM/ /Mi/; e/ pur di p/MS dorr/d/e MMM/ere ipi/ auoZ/ es/e UMe OMei/Mes MM/s, /MoZ/ geMS e/ as-
soiMMiod eoMiwe doMeders^ÖM/ /es doeii/s, espHM/roZ/ /es/es de edeuHMX, eoii/oMdoZ/ downies d'arwes, es-
poMUHM/o// eoMrages, doMMHM/Jbrees e/ pM/ssHMces, ewp/oi/HM/ dras d'MM JbMdre e/ d'MM downie d'ae/er
ipi/ MM//M1/ M'gMiZroZ/, MMi/s /e^iiZreM/ edaeMM; e/ Me sewd/oZ/ i/Me MM HssoiMMieMr, MM weMr/r/er H/OMrMee,
p/MS d/ad/e t/ne downie. Chastellain, Oeuvres, Bd. 1, S. 268f.
i° Zu diesem Kampf siehe Schnerb, Armagnacs, S. 301. Eine ausführliche Schilderung (jedoch
ohne Verweis auf Jean Vilain) findet sich auch in den Memoires de Pierre de Fenin, S. 164-169.
 
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