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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0369

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368

VI Vertiefungen

Dramatik des Kriegsgeschehens. Somit wurden Beschreibungen von Verwun-
dungen instrumentalisiert und vor allem bei ritterlich orientierten Chronisten
nur so detailliert beschrieben, wie es als Vorlage für die weiteren Erörte-
rungen notwendig war. Gegenüber den Toten eines Kampfes traten die Ver-
letzten in den Hintergrund, bedurften sie doch nicht der Memorial
Gegenüber solchen kriegsbedingten Verwundungen folgen Schilderungen
von Verletzungen, die aus interpersoneller Gewalt resultieren, anderen Nor-
men. Auffallend sind hier vor allem die präzisen Beschreibungen der ver-
stümmelten Körper prominenter Mordopfer: 1354 fügten die Angreifer dem
Körper von Charles d'Espagne 80 Wunden zu, statt ihn nur zu tötend 1392
entkam Olivier de Clisson einem Mordanschlag mit einer schweren, bluten-
den Kopfverletzung^ 1407 wurde Ludwig von Orleans die Hand abgeschla-
gen und sein Kopf zerschmettert^ 1418 ritzte man der Leiche Bernards VII.
von Armagnac das eigene Parteizeichen in den LeibA Diese detaillierten
Schilderungen sind zudem durch eine Häufung eindeutiger und ausschließ-
lich negativer Wertungen geprägtA Somit wirken die präzise aufgeführten
Verstümmelungen im Kontrast zur Heroisierung körperlicher Stärke und
Kraft als schreckenerregender Gegenpol. Uber die massive Verletzung des
Körpers hinaus betraf dies unmittelbar auch die adlige WürdeA Gerade die
Mutwilligkeit, mit der diese Verstümmelungen begangen wurden, erschien
den Zeitgenossen grausam, da sie das bisherige Maß der akzeptierten Gewalt
überschritt und ständische Verhaltensnormen offen missachtete. Insofern sind
auch diese dezidierten Beschreibungen von Verstümmelungen ein bewusstes
erzählerisches Mittel, um die Unerhörtheit der Vorgänge deutlich zu machen.

31 Prietzel, Tod, S. 88f.; Auge, So solt er, führt aus, dass Verletzungen in der ritterlichen Kultur
wohl tabuisiert waren, außer sie wurden direkt mit heldenhaften Kriegstaten in Verbindung
gebracht.
32 Chronique des quatre premiers Valois, S. 27, Textzitat auf S. 307, Anm 194.
33 Froissart, Oeuvres, Bd. 15, S. 11; Chronique du Religieux, Bd. 2, S. 4, Textzitate auf S. 307, Anm
195.
34 Monstrelet, Chronique, Bd. 1, S. 156f.; Chronique normande de Pierre Cochon, S. 221; Chro-
nique du Religieux, Bd. 3, S. 734; Juvenal des Ursins, Histoire, S. 445; Nicolas de Baye, Journal
[1885-1888], Bd. 1, S. 206; Les chroniques du Roi Charles VII, S. 22, Textzitate auf S. 307, Anm.
196.
33 Siehe S. 253, Anm. 187 und S. 254, Anm. 189.
33 Als Auswahl: Tauf eMgiosseMsemeMf, fiiiaiMMeweMf cf addowiMadieweMf PappareiffereMf (?M'iE hu'
/irenf ^Mafre fingt piaies. Chronique des quatre premiers Valois, S. 27 (ad a. 1354). Tn Maure, Ah;
cf f ifMpere fres fiiiaiMCWiCMf. Chronique normande de Pierre Cochon, S. 190 (ad a. 1392). CrueMfis-
siwMS domicida. Chronique du Religieux, Bd. 3, S. 734 (ad a. 1407). Tn si pefif wowcnf a/iMe scs
Jours wouif dorridfemeMf cf doMfeMsemeMf. Nicolas de Baye, Journal [1885-1888], Bd. 1, S. 207 (ad a.
1407). Adrepfum^ureMS cf iMsanicMS fuigus crudefifer peremif. Basin, Charles VII, Bd. 1, S. 58 (ad a.
1418). 11s fcs firereMf dors de ia CoMciergerie du Palais emmi/ ia cour, ef ia les fuereMf Men indMwaine-
wenf, ef frop dorridfemeMf. Juvenal des Ursins, Histoire, S. 541 (ad a. 1418).
37 Zum Körperideal des spätmittelalterlichen Adels siehe Nadot, Spectacle, S. 219-223; sowie an
englischen Beispielen: Westerhof, Death, bes. S. 28-82. Laut dem Decrefum Grafiani durften
auch Kleriker keinerlei körperliche Versehrung aufweisen, Corpus iuris canonici, Bd. 1, Sp. 133
(DccrcfMW Grafiani, pars I, dist. 36, c. 1): diiifferafos, auf aii^ua parfe corporis immuMifos, mdiis
prosMwaf ad cierum prowouere, ^uia iiifcris carcns sacris non pofcsf esse apfus qjjifiis, ef Mifiosuw
Micdii Deo prorsns qfjerri fegafia precepfa saMxeruMf. Vgl. dazu auch Schmugge, Papst. Ich danke
Arnold Esch (Bern) für diesen Hinweis.
 
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