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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0387

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31 Ideal und Devianz

Der Anspruch vieler Chronisten war es, gegenwartsrelevantes Geschichts-
wissen zu tradieren, das Vorbildfunktion haben solltet Dabei ging es mehr
um die Exemplihzierung von moralischen, religiösen oder ständischen Ide-
alen als um eine im heutigen Sinn objektiv-neutrale Darstellung. Schon der
Prolog Jean Froissarts macht deutlich, dass der Chronist auf die Bekannt-
machung der „schönen Waffentaten" seiner Zeit zieltet Die Verherrlichung
ritterlicher Ideale stieß jedoch mit Blick auf die kriegerische Praxis immer
wieder auf Probleme; Johan Huizinga formulierte daher, die Historiographie
habe „die Fiktion des Ritterideals" ergriffen und so zumindest „die Illusion
einer Ordnung"^ erschaffen.
Teil dieses Schaffensprozesses war das Arbeiten mit Idealbildern, wie et-
wa dem Typus des ,Heldenk Dieser markierte die Grenzen dessen, was ein
Mensch im besten Fall erreichen und umsetzen konntet Der Held verkörperte
damit die Fähigkeiten und Tugenden, die der jeweiligen Gesellschaft als ideal
und nachahmenswert galten, womit er nach Isidor von Sevilla „wegen seiner
Weisheit und Tapferkeit himmlischer Ehren würdig"^ war. In der höfischen
Fiteratur des Mittelalters fanden vor allem Werte wie Ehrenhaftigkeit, Tap-
ferkeit, Foyalität und Abstammung große Anerkennung. Fiterarisch stand
dem Helden der ,Schurke' als Gegenpol und Bedrohung eben dieser Werte
gegenüber - eine Herausforderung, die es für den Helden zu überwinden
galt/
Im Folgenden soll untersucht werden, inwiefern Gewalt und Gewaltaus-
übung bei der Beschreibung positiver oder negativer Charaktere eine Rolle
gespielt haben. Die Stilisierung von Helden und Schurken durch ihr gewalt-
sames Handeln erlaubt so einen recht direkten Blick auf die Stellung be-
stimmter Gewalttaten (vor allem) in der ritterlich-adligen Welt/

31 1 Helden
Erzählungen benötigen prägnante Charaktere, die Handlungsstränge tragen
und voranbringen beziehungsweise Tugenden und Wertvorstellungen bei-
spielhaft repräsentieren (oder negieren). Helden verkörpern durch ihre Hand-

' Goetz, Geschichtsschreibung, S. 130-134.
2 Froissart, Chroniques (liv. I & II), S. 71 (ProiogMc).
2 Huizinga, Herbst, S. 87.
^ Horn, Held, Sp. 721 f.; vgl. auch Kü^ukhüseyin, Rolle von Gewalt, S. 467.
^ New i?cros appcPaMiMr uin aerd td cado propfer sgp&MtMW Isidorus, Ety-
mologiae, Bd. 1, lib. I, 39, 9.
6 Cartlidge, Introduction, S. lf.
2 Seidl/Hammer, Einleitung, S. XI; Winst, Vergossenes Blut, S. 104—107.
 
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