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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0421

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420

VI Vertiefungen

mitsch ritten^ sowie in päpstlichen Briefen.^ Der Gebrauch von Gewalt-
stereotypen ist damit weder an spezifische Personengruppen noch an spezi-
fische Kontexte gebunden, sondern flexibel anwendbar. Ihre durchweg nega-
tive Konnotation erlaubte es den Autoren, gezielt Individuen oder Gruppen
durch die Assoziierung mit diesen Gewalttaten zu delegihmieren. Zwar ist
die Faktizität solcher Gewaltbeschreibungen wegen ihres topischen Cha-
rakters im Einzelfall anzuzweifeln, grundsätzlich aber beruhte die Wirkung
der Stereotype auf einer prinzipiellen Glaubwürdigkeit, die sich auf reale
Gewalterfahrungen stützte. Der Schrecken, den der andauernde Krieg für die
Zeitgenossen bedeutete, verdichtete sich zu stereotypen Bildern, die allesamt
die Gefährdung der Gesellschaft und ihrer geteilten Werte illustrieren. Solche
Gewaltschilderungen daher als fiktive Bilder abzutun, würde weder ihrer
Wirkmächtigkeit noch den Intentionen der Autoren gerecht werden.

Gewalt als Bedrohung kollektiver Werte
Der Schrecken, den die Auflistung bestimmter Gewalttaten auslöste, erklärt
sich durch den Blick auf ihre kulturelle Bedeutung. Jedes der Stereotype be-
schrieb die Überschreitung gesellschaftlicher Grenzen, beziehungsweise die
Missachtung sozialer oder religiöser Tabus: Wenn Kirchen oder Klöster ge-
plündert und Reliquien geschändet oder zerstört wurden, verletzten die Ver-
ursacher damit zunächst die Immunität kirchlichen Besitzes und Bodens.
Schlimmer aber als diese Rechtsverletzung dürfte die Missachtung religiöser
Orte und Objekte gewogen habend? Mindestens seit der Gottesfriedensbe-
wegung im 10. Jahrhundert sollten Kleriker und religiöse Einrichtungen jeder
Art von allen Gewalttaten verschont werden, wie es auch die Kriegstraktate
des Spätmittelalters immer wieder einforderten Da der Klerus für das See-
lenheil der ganzen Gesellschaft Verantwortung trug, verletzte die Gefangen-
nahme, Misshandlung oder Tötung von Klerikern (und Vergewaltigung im
Fall von Nonnen) seit Jahrhunderten gültige Tabus. Wegen seiner gesell-
schaftlichen Funktion sollte der Klerus von jeder Beeinträchtigung verschont

d'armes oni acoMsinme &' /airc. Remission für Jean de Ravenei, April 1446, Tuetey, Ecorcheurs,
Bd. 2, S. 402f. Siehe auch Remission für Guinot de Roquelaure, November 1445, ebd., S. 469f.;
Remission für Jean de Raymon, April 1446, ebd., S. 409f.; Remission für Charles de la Cloche, Mai
1447, ebd., S. 421f.
235 Pedii proenrenr dn roi/ dii tyne Jeirnnne^nin a dain anirefois Pierre Francois, proenrenr sndsiiiMi dn roi
en Ponidien, hm nn sergenf ei a raui pinsienrs A^mes, esi menririer & Ans ei espienr puNd/ne de ede-
mins noisenr, ivienr ei rioienr. Prozess gegen Jehannequin d'Avesnes, August 1404: Paris, AN,
X2a 14, fol. 20' . Vgl. Gauvard, Grace especial, S. 200.
236 Pornm uiridns ooii/iaiis dinc inde sirages dominnm, qjnsio sanguinis odrisiiani t/ni de ferra oiamai in
eeinm, deuasiaoio ei incendia ioeornm ei eeeiesiHmm desirneeiones, rapine, spoiia, JaeniiaiMm iapsns,
SMddiiornm dfanna) ei oppressiones imminere, ei (?Mod de/iendnm esi poeins animarnm perienia ei infi-
niia seeiera dtn/nsmodi) pro doiori sieni esi ioii mnndo noiorinm snni seenia. Brief Innozenz VI. an
verschiedene Legaten, 08.04.1356: Moisant, Prince Noir, S. 235.
237 in hagiographischen wie historiographischen Quellen wird die Schwere dieser Tat dadurch
deutlich, dass sie in den Darstellungen mitunter mit einer unmittelbar folgenden Strafe Gottes
verknüpft wurde, siehe S. 89f., bes. Anm. 38-40.
238 Siehe dazu S. 84f., 132f., und 162-165 dieser Arbeit.
 
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