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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 1.1905

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Zweites Heft (Februar 1905)
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Kümmel, Otto: [Rezension von: Schiichi Tajima, Masterpieces selected from the Kôrin School, Band 1,2, Tokyo, Shimbi Schoin 1904]
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https://doi.org/10.11588/diglit.50013#0051

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Februar -Heft.

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

getäuscht wird, und der europäische Liebhaber
vollends schon deshalb rat- und hilflos dasteht,
weil er nicht die Möglichkeit hat, zu vergleichen.
Die Schätze der heimatlichen Kunst sind in Japan
von jeher eifersüchtig gehütet und lange Zeit selbst
vor den Blicken der europäischen Eindringlinge
sorglich bewahrt worden. Denn es ist eine Legende
— und keine fromme —, daß das moderne Japan
im ersten Taumel der Europäisierung die Reliquien
seiner alten vornehmen Kultur’ den Barbaren des
Westens um wenige Pfennige nachgeworfen hätte.
Was der Ruin mancher alten Kriegerfamilie —
— nicht des eigentlichen Adels, dessen Schatzhäuser
die kostbarsten Werke der japanischen Kunst seit
Jahrhunderten bargen—,was die sehr kurz dauernde
Vernachlässigung der buddhistischen Tempel an
Werken hoher Kunst auf den Markt brachte, kam
eben auf den japanischen Markt und verschwand
sehr bald in den Schatzkammern des hohen Adels
oder in den neu begründeten Sammlungen der
aufstrebenden Kaufleute. Japanische Malerei und
Skulptur kann man heute so gut wie vor 40 Jahren
nur in ihrem Lande kennen lernen. Was nach
Europa gelangt ist, sind mit wenigen Aus-
nahmen Werke zweiten und dritten Ranges
oder Fälschungen oder’ Kopien berühmter Originale,
und es ist sehr zweifelhaft, ob in Zukunft Europa
mehr Glück haben wird. Vermutlich werden die
jüngsten kriegerischen Erfolge, die das stolze Volks-
bewußtsein der Japaner noch höher gehoben haben,
eher die entgegengesetzte Wirkung haben. Etwas
besser steht es um die Werke der japanischen Zier-
künste, die Lacke, Töpfer- und Metallarbeiten, die
früher als die so uneuropäische Malerei bei uns
einiges Verständnis fanden. Wenn auch die edelsten
Schöpfungen dieser Künste ebenfalls ihrem Vater-
lande treu geblieben sind, so vermag doch, was
wir in Europa besitzen, uns wenigstens eine all-
gemeine Vorstellung von japanischer Kleinkunst
zu geben. In der Malerei und Bildnerei sind wir
nicht so glücklich.
Wenn wir trotzdem von der großen Kunst
Ostasiens eigentlich viel mehr wissen als von
seiner Kleinkunst, so verdanken wir das den
unvergleichlichen japanischen Publikationen, die
seit etwa P/2 Jahrzehnten — bisher ziemlich ver-
geblich — versucht haben, uns von dem wahren
Wesen ostasiatischer Kunst eine Vorstellung
zu geben. Die moderne photographische Technik
gab die Mittel, die herrlichen Tuschmalereien Alt-
Chinas und -Japans, außer der wundervollen Farbe
der Tusche und des Malgrundes, fast vollkommen
wiederzugeben, wie es den Schwarzweiß-Nach-
bildungen des alten japanischen Holzdruckes —
oft genug selbständigen Meisterwerken des Holz-

schneiders und Druckers — nie gelungen ist. Da-
für hat sich der japanische Farbenholzschnitt,
dessen bunte Bilderbogen bei uns jetzt zu so hohen
Ehren gekommen sind, nach dem völligen Verfall
im 19. Jahrhundert endlich auf seine eigentliche
und höchste Aufgabe besonnen, sich mit der Photo-
graphie verschwistert und auf photographischer
Grundlage farbige Reproduktionen japanischer und
chinesischer Gemälde geschaffen, die jedes Ver-
gleiches mit ähnlichen europäischen Nachbildungen
spotten. Seit etwa 1890 bringt die Zeitschrift
Kokkwa — vielleicht die beste Kunstzeitschrift der
Welt — farbige Reproduktionen von größter
Vollendung, und eine Reihe kleinerer Abbildungs-
werke sind ihr gefolgt.
Indessen kann sich keine dieser Publikationen
mit den großen Unternehmungen des Herrn
S. Tajima vergleichen, dessen bisher zehnbändiges
Shimbi Taikwan (Selected Relics of Japanese Art)
schlechthin das wertvollste Werk der japanischen
kunstwissenschaftlichen Literatur ist. In aus-
gezeichneten, obwohl noch verbesserungsfähigen
Kollotypes und in völlig ohnegleichen dastehenden
Farbenholzschnitten hat der Herausgeber und seine
Mitarbeiter die edelsten Werke japanischer und
chinesischer Malerei und Bildnerei vereinigt, uns
freilich über unsern Besitz an ostasiatischer Kunst
die unerwünschteste Aufklärung gegeben. Wir
haben trotzdem allen Grund, für diese Aufklärung
dankbar- zu sein, denn diese Reproduktionen lehren
uns von der wahren Größe der Kunst Ostasiens
mehr als alle die zweifelhaften und unzweifelhaften
„Meisterwerke“ unserer Sammlungen.
Dieser allgemeinen japanischen Kunstgeschichte
in Beispielen, deren zweite Hälfte noch erscheinen
soll, will Tajima noch eine Reihe monographischer
Tafelwerke folgen lassen, die je einen Künstler
oder eine Künstlergruppe möglichst erschöpfend
behandeln sollen. Erschienen sind bisher außer
zwei Werken, die die Gemälde des großen Be-
gründers der Kanoschule Kano Motonobu und des
seltsamen Ito Jakuchu enthalten, zwei Bände des
Körinwerkes.
Korin (j* 1716), dessen künstlerische Art hier
nicht geschildert werden soll, ist in Europa fast
ebenso bekannt wie Utamaro und Hokusai — eine
Zusammenstellung, die jeder gebildete Japaner als
eine Schändung von Korins Andenken empfindet,
die aber in Europa ganz geläufig ist. Wer
Korin nur nach den Bildern kennt, die in euro-
päischen Sammlungen seinen Namen tragen und jetzt
den Tajima durchsieht, wird zugestehen, daß er
Korin nicht gekannt hat. Korin ist ein ganz
anderer als die „Korin“, die Europa gesehen hat, und
man kann schwerlich sagen, daß durch Aufopferung
 
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