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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 1.1905

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Viertes Heft (April 1905)
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Hampe, Theodor: [Rezension von: Berthold Daun, P. Vischer und A. Krafft]
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https://doi.org/10.11588/diglit.50013#0090

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82

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

April-Heft.

bleiben, wenn man sich auch den Folgerungen, die
Daun aus dieser Zugehörigkeit zum Vischer-Werke
hinsichtlich der künstlerischen Entwicklung des
älteren Peter Vischer zieht, nicht ohne sorgfältigste
Prüfung und Erwägung aller begleitenden Um-
stände, wie sie bei dem gegenwärtigen Stande der
Vischer-Forschung noch ihre grossen Schwierig-
keiten hat, wird anschliessen dürfen.
Wie in diesem Falle, so ist Daun auch mit
den übrigen Problemen, an denen doch gerade die
Vischer-Forschung so besonders reich ist, zumeist
rasch fertig, und zu diesem Mangel an Tiefe, ja,
wie es scheint, sogar an Verständnis für die For-
derungen der strengen Wissenschaft gesellt sich
eine solche Flüchtigkeit im einzelnen, dass dadurch
nur zu häufig die Vorzüge der Arbeit verdunkelt
werden. Das ist umsomehr zu bedauern, je
freudiger man sonst den nützlichen und auch auf-
opferungsvollen Eifer Dauns für das so lange arg
vernachlässigte wissenschaftliche Studium der
deutschen Plastik im 15. und 16. lahrhundert be-
grüssen würde, je wärmer man ihn anerkennen
möchte.
Der zur Verfügung stehende Kaum gestattet
es nicht, die ganze Zahl der Belege für das Ge-
sagte, wie sie sich mir bei der etwas genaueren
Lektüre der Monographie über Peter Vischer reich-
lich ergeben haben, hier folgen zu lassen. Nur
einige wenige seien daraus hervorgehoben.
Gleich die Beurteilung der älteren Bronzegüsse
in Deutschland (S. 7 f.) wirkt in ihrer Oberfläch-
lichkeit geradezu dilettantisch und wird noch ent-
stellt durch einen namentlich für eine populäre
Schrift recht argen Druckfehler: statt „das Tauf-
becken von Lambert Patras (1112) in Osnabrück“
sollte es offenbar heissen: „d. T. d. L. P. (1112) in
Lüttich und dasjenige des Meisters Gerhard in 0.“
In dem im Kupferstichkabinett zu Wien be-
findlichen Entwurf zum Sebaldusgrabe vermutet
Daun sodann (S. 10) das Meisterstück Peter
Vischers, ohne sich mit der^Tradition, die bekannt-
lich den Hängeleuchtei’ in St. Lorenz als solches
bezeichnet, irgendwie auseinanderzusetzen. Und
doch hat sie nach den Gepflogenheiten des Hand-
werks der Rotschmiede von vornherein weit mehr
für sich, als Dauns gänzlich unhaltbare Annahme.
S. 24 wird die Frage, ob in Peter Vischers
Giesshütte gelegentlich die Zeichnungen anderer
Meister, z. B. Dürers, als Vorlagen zur Verwendung-
gekommen sind, übers Knie gebrochen. Daun
hätte sich hier, wollte er gründlich verfahren, nicht
lediglich an die bekannte Dürer-Skizze von 1513
in den Uffizien halten, sondern sich auch nach
sonstigen Blättern umsehen müssen, die als Vor-
lagen in Betracht kommen können. Ein solches

ist z. B. meines Erachtens aller Wahrscheinlichkeit
nach die Dürerzeichnung in der Sammlung R,obert-
Dumesnil in Paris (Lippmann No.381. imIV.Bande),
die aus dem gleichen Jahre (1521) stammt wie die
Vischersche Gedächtnistafel für Margaretha Tücher
im Dom zu Regensburg und mit der Frauengruppe
dieses Werkes manche kaum zufälligen Ueberein-
stimmungen aufweist.
Bei der Frage nach der direkten Beeinflussung
des Sebaldusgrabes durch Werke der italienischen
Renaissance werden wir (S. 32) mit der Bemerkung
abgespeist, dass es der Zweck der vorliegenden
Abhandlung nicht sein könne, im einzelnen die
italienischen Vorbilder aufzuzählen. Und doch
wären wir dem Verfasser für jeden Hinweis dieser
Art besonders dankbar gewesen und hätten gern
den Exkurs über das Schönheitsideal der Griechen
(S. 42 f.), die Ausfälle auf moderne Kunstbe-
strebungen und manches andere dafür’ missen
mögen. Was Seeger in seinem Buche über Peter
Vischer den jüngeren S. 83 ff. in dankenswerter
Weise an Tatsachen und Vermutungen zur Auf-
hellung dieser wichtigen Frage beibringt, kann
noch nicht genügen. Ohne Zweifel darf z. B. auch
das Plinius-Denkmal im Dom zu Como — vgl. auch
Seeger S. 21 — durch die daran verwendeten
säulentragenden Sirenen in direkte Beziehung gerade
zum Sebaldusgrabe gesetzt werden. Besonders aber
hat man bisher in dieser ganzen Sache den italienischen
Medaillen viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Zwar nicht eine Figur am Sebaldusgrabe, wohl aber
die Frauengestalt des ältesten der beiden Tinten-
fässer von Peter Vischer dem jüngeren ist bei-
spielsweise durch die „Aeterna Fortuna“ auf der
Rückseite der Medaille des Pomedello auf die
Venezianerin Isabella Michiel — vgl. Jahrbuch der
kgl. preuss. Kunstsammlungen II (1881) Tafel XIX
No. 6 —, wie ich meine, entscheidend beeinflusst
worden.
Was der Verfasser (S. 40 ff.) über die „Nürn-
berger Madonna“ sagt, die er nicht als eine Maria
unter dem Kreuze aufgefasst wissen möchte, ist
sehr wenig einleuchtend. Die Haltung der Ma-
donna ist eben doch die lediglich für jene Situa-
tion typische und selbst die Unproportioniertheit
des Unterkörpers, die gewiss einem so bedeutenden
Meister wie dem Schöpfer dieser Figur nicht als
Fehler angerechnet werden darf, deutet offenbar
darauf hin, dass sie für einen hoch erhöhten Stand-
ort — zur Seite eines Triumphkreuzes, wie wir an-
nehmen müssen, — bestimmt war.
Dass Daun (S. 40) von der „verschwundenen
Chronik des Conz Rössner“ spricht, wollen wir
ihm so sehr nicht übel nehmen. Das Buch galt
in der Tat längere Zeit als verschollen und ist erst
 
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