Otto Homburger / Studien über romanische Plastik und B a u o r n a m e n t i k usw.
Daß zu dieser Gruppe von Bildhauern Italiener gehörten, wie vielfach angenommen wurde1, ist
möglich — berichten doch Urkunden über die Tätigkeit von Lombarden in Urgel2 3 —, aber es wäre unrichtig,
wollte man den Einfluß der lombardischen Kunst auf unsere aragonisch-katalonische Schule als maßgebend
und stilbildend ansehen. Wenn auch gewisse Anklänge des Figurenstils zu Huesca und Ripoll an den
Fassadenschmuck zu Modena nicht geleugnet werden sollen, so sind doch die inneren Zusammenhänge
mit der wesensverwandten Elfenbeinplastik und der noch wenig bekannten Buchmalerei Spaniens m. E.
als ungleich wesentlicher anzusehen und es ist kein Zufall, daß in Zürich Freiskulpturen größeren Formates
ganz fehlen. Die vereinzelten Beziehungen zu der Bauornamentik Oberitaliens, insbesondere Pavias, auf die
oben bei Besprechung der Kapitelle im südlichen Seitenschiff des Großmünsters hingewiesen wurde, berechtigen
noch nicht zur Annahme, daß die ausführenden oder gar die entwerfenden Künstler aus der Lombardei
stammten, und entsprechend verhält es sich mit den Kapitellen und dem Portalschmuck von St. Michel de
Cuxa; im weiteren Verlauf verwischt sich der Eindruck von irgendwelchen italienischen Einflüssen auf die
dekorative Plastik ganz und gar.
Eine erschöpfende Behandlung der Bauornamentik am Großmünster hätte, abgesehen von der
Krypta, noch zweier Gruppen zu gedenken, einmal der vier eigenartigen, völlig alleinstehenden Kapitelle,
von denen die Blendarkaden an der (Süd-)Ostwand des Chores getragen werden8, und dann des reichen
Schmuckes, der über die Emporen der Seitenschiffe verteilt ist4; in diesem Zusammenhang ist es uns versagt,
hierauf einzugehen. Nur einen flüchtigen Blick wollen wir werfen in die Wunderwelt des anschließenden
Kreuzganges5. Möchte es doch scheinen, beim Anblick der zahlreichen Paare gegenständiger Tiere, der
baumartigen Palmetten6 * mit Trauben und gefiedertem Blattwerk, der hockenden Geigerin und der Tanzenden
als ob der köstliche Formenreichtum der maurischen Elfenbeinplastik hier erst recht monumentalen Ausdruck
gefunden hätte.
1 S. die Aufzählung bei W. Neuß a. a. O., S. 21/22, Anm. 59. — Ebda. wird in Anm. 40 über die Stellung ver-
schiedener Forscher zur Datierungsfrage referiert.
2 Puig y Cadafalch, Les influences Lombardes en Catalogne, Congres archeologique LXXIII, S. 684 ff., insbes.
S. 699 ff. — Derselbe, L’Arquitectura Romanica III, S. 50 ff.
3 Verf. kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß hier in Stil und Motiven Beziehungen zur mozarabischen
Bauornamentik vorliegen (Fragmente von Schranken im St. Miguel zu Escalada, vgl. Gömez-Moreno, Iglesias Mozarabes
1919, Taf. 50—53)-
4 Die mit figürlichem Schmuck ausgestatteten Schlußsteine der ursprünglich nicht beabsichtigten Rippengewölbe
gleichen m. E. im Stil den menschlichen Gebilden am Nordportal der Schottenkirche zu Regensburg. Karlinger a. a. O.,
Taf. 12, 14—27. Ca. 1180—1200.
5 Abb. in den Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft Zürich I, Heft 6. — Der Bau ist aus stilistischen
Gründen an die Wende des 12. Jahrhunderts zu setzen.
6 Vgl. Marquet de Vasselot in Michel, Histoire de l’Art I, 2, S. 882 ff.
’ Eine ähnliche Tänzerin auf einem Kapitell von St. Pedro, Huesca. (A. L. Mayer, Mittelalterliche Plastik in
Spanien, Taf. 7). Darstellungen der hockenden Musikantin begegnen auf sassanidischen Silberschüsseln (Sarre a. a. O.,
Taf. 109/110) und wiederholen sich auf den Elfenbeinen der Omajadenzeit, vgl. die Pyxis von El-Mugirat im Louvre (Abb.
Migeon, L’Orient Musulman a. a. O., Taf. 10. — Derselbe, Les Arts Musulmans 1926, Taf. 41. — Kühnel a. a. O., Taf. 111)
und das Londoner Kästchen (Falke a. a. O., Fig. 179).
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Daß zu dieser Gruppe von Bildhauern Italiener gehörten, wie vielfach angenommen wurde1, ist
möglich — berichten doch Urkunden über die Tätigkeit von Lombarden in Urgel2 3 —, aber es wäre unrichtig,
wollte man den Einfluß der lombardischen Kunst auf unsere aragonisch-katalonische Schule als maßgebend
und stilbildend ansehen. Wenn auch gewisse Anklänge des Figurenstils zu Huesca und Ripoll an den
Fassadenschmuck zu Modena nicht geleugnet werden sollen, so sind doch die inneren Zusammenhänge
mit der wesensverwandten Elfenbeinplastik und der noch wenig bekannten Buchmalerei Spaniens m. E.
als ungleich wesentlicher anzusehen und es ist kein Zufall, daß in Zürich Freiskulpturen größeren Formates
ganz fehlen. Die vereinzelten Beziehungen zu der Bauornamentik Oberitaliens, insbesondere Pavias, auf die
oben bei Besprechung der Kapitelle im südlichen Seitenschiff des Großmünsters hingewiesen wurde, berechtigen
noch nicht zur Annahme, daß die ausführenden oder gar die entwerfenden Künstler aus der Lombardei
stammten, und entsprechend verhält es sich mit den Kapitellen und dem Portalschmuck von St. Michel de
Cuxa; im weiteren Verlauf verwischt sich der Eindruck von irgendwelchen italienischen Einflüssen auf die
dekorative Plastik ganz und gar.
Eine erschöpfende Behandlung der Bauornamentik am Großmünster hätte, abgesehen von der
Krypta, noch zweier Gruppen zu gedenken, einmal der vier eigenartigen, völlig alleinstehenden Kapitelle,
von denen die Blendarkaden an der (Süd-)Ostwand des Chores getragen werden8, und dann des reichen
Schmuckes, der über die Emporen der Seitenschiffe verteilt ist4; in diesem Zusammenhang ist es uns versagt,
hierauf einzugehen. Nur einen flüchtigen Blick wollen wir werfen in die Wunderwelt des anschließenden
Kreuzganges5. Möchte es doch scheinen, beim Anblick der zahlreichen Paare gegenständiger Tiere, der
baumartigen Palmetten6 * mit Trauben und gefiedertem Blattwerk, der hockenden Geigerin und der Tanzenden
als ob der köstliche Formenreichtum der maurischen Elfenbeinplastik hier erst recht monumentalen Ausdruck
gefunden hätte.
1 S. die Aufzählung bei W. Neuß a. a. O., S. 21/22, Anm. 59. — Ebda. wird in Anm. 40 über die Stellung ver-
schiedener Forscher zur Datierungsfrage referiert.
2 Puig y Cadafalch, Les influences Lombardes en Catalogne, Congres archeologique LXXIII, S. 684 ff., insbes.
S. 699 ff. — Derselbe, L’Arquitectura Romanica III, S. 50 ff.
3 Verf. kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß hier in Stil und Motiven Beziehungen zur mozarabischen
Bauornamentik vorliegen (Fragmente von Schranken im St. Miguel zu Escalada, vgl. Gömez-Moreno, Iglesias Mozarabes
1919, Taf. 50—53)-
4 Die mit figürlichem Schmuck ausgestatteten Schlußsteine der ursprünglich nicht beabsichtigten Rippengewölbe
gleichen m. E. im Stil den menschlichen Gebilden am Nordportal der Schottenkirche zu Regensburg. Karlinger a. a. O.,
Taf. 12, 14—27. Ca. 1180—1200.
5 Abb. in den Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft Zürich I, Heft 6. — Der Bau ist aus stilistischen
Gründen an die Wende des 12. Jahrhunderts zu setzen.
6 Vgl. Marquet de Vasselot in Michel, Histoire de l’Art I, 2, S. 882 ff.
’ Eine ähnliche Tänzerin auf einem Kapitell von St. Pedro, Huesca. (A. L. Mayer, Mittelalterliche Plastik in
Spanien, Taf. 7). Darstellungen der hockenden Musikantin begegnen auf sassanidischen Silberschüsseln (Sarre a. a. O.,
Taf. 109/110) und wiederholen sich auf den Elfenbeinen der Omajadenzeit, vgl. die Pyxis von El-Mugirat im Louvre (Abb.
Migeon, L’Orient Musulman a. a. O., Taf. 10. — Derselbe, Les Arts Musulmans 1926, Taf. 41. — Kühnel a. a. O., Taf. 111)
und das Londoner Kästchen (Falke a. a. O., Fig. 179).
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