Rudolf Kautzsch
handelt, ist offenbar das große zweiteilige an der Südseite, das aus einer geräumigen Vorhalle in das Pseudo-
Querhaus führt.
Die dritte Quelle bildet eine Zeichnung, die die Stadtbibliothek zu Besancon verwahrt. Sie finden
sich im Ms. 732, das den Titel trägt: Opuscules d’histoire ecclösiastique de l’abbe J. B. Fleury, auf
Fol. 24. Ich kann sie hier (Taf. 57, Abb. 1) mitteilen1.
Sehen wir zu, was uns diese Quellen lehren. Der Grundriß, um mit diesem zu beginnen, zeigt
deutlich die Merkmale der burgundischen frühen Gotik. Mit dem Grundriß von St. Benigne in Dijon
z. B. (Dehio und v. Bezold Taf. 367, 7) teilt er die drei gleichgerichteten Apsiden2, das Zwischenjoch
zwischen diesen und dem Querhaus, dessen verkümmerte Gestalt (Pseudo-Querhaus), die Jochteilung (kein
„gebundenes“ System). Wenn man die — späteren — Kapellenreihen an der Nord- und an der Südseite
wegdenkt, wird die Ähnlichkeit augenscheinlich. Das ist nicht ohne Bedeutung. Wenn dieser Grundriß
tatsächlich bald nach 1221 festgelegt wurde, so gibt er ein besonders frühes Beispiel dieser Disposition.
Auf die Form des Portals und der Vorhalle, wie sie der Grundriß zeigt, werde ich weiter unten
zu sprechen kommen.
Die Angaben Dunod’s werden wir am besten sofort in Verbindung mit der Erörterung der dritten,
der wichtigsten Quelle, die uns zur Rekonstruktion unseres Portals zur Verfügung steht, verwerten. Diese
wichtigste Quelle ist trotz ihrer Flüchtigkeit die Zeichnung des Abbö Fleury. Mit der Feder offenbar rasch
ausgeführt und leicht angetuscht3, gibt sie den Zustand des Portals vermutlich kurz vor dem Abbruch
wieder. Wir sehen in der Mitte eine breite Tür, durch einen Pfeiler geteilt. An dem Pfeiler eine Säule,
die etwa in halber Höhe des Pfeilers über einem kräftigen Schaftring eine Figur trägt: den Erzengel
Michael. Über seinem Kopf erscheint das Kapitell der Säule und darüber werden — von einer glatten
Fläche abgeschnitten — die Anfänge, d. h. die Bogenfüße eines Baldachins sichtbar. Zu beiden Seiten
der Tür stehen vor glatten Wandflächen auf flach geschwungenen kastenartigen Wandbänken je sieben
Figuren. Sie erheben sich über figurierten Einzelsockeln, die wie es scheint Fußplatten haben. Hinter
den Figuren ist wie gesagt beiderseits eine glatte Wand, auf die sie ihre Schatten werfen. Nur über den
Köpfen ist zwischen diesen Wandflächen und der Fläche, die einheitlich den Türsturz und alles, was über
ihm liegt, ebenso aber die oberen Teile der Wände zu beiden Seiten des Portals deckt, beiderseits ein
Spalt. Und in diesem Spalt erscheinen wiederum die — wahrscheinlich verstümmelten — Kapitelle und
die unteren Abschnitte von Baldachinen.
Zum Verständnis des Zustands, den die Zeichnung wiedergibt, verhilft uns nun eine Nachricht
über das Schicksal unserer Portalvorhalle in den Hugenottenkriegen4. Im Jahr 1575 hatte man eine
1 Auf die Spur dieser Zeichnung hat mich Emma Maria Blaser gebracht (Gotische Bildwerke der Kathedrale
von Lausanne. Basel 1918. S. 52). Der Stadtbibliothek zu Besancon danke ich auf das Beste für die mir gewordene
genaue Auskunft und für die Photographie der Zeichnung. Auch J. Gauthier (s. oben Anm. 1) erwähnt eine Zeichnung
des Portals, die von dem Abbe Fleury herstamme. Diese Zeichnung scheint aber mit der der Stadtbibliothek nicht
identisch. Nach einer Mitteilung des Herrn H. Michel befand sich dies zweite Blatt im Besitz Gauthiers und wurde, wie
man erzählt, nach seinem Tod (1908) mit allerlei Manuskripten als Altpapier verkauft.
2 Am Ende des südlichen Seitenschiffs stand ein romanischer Turm, der einzige Überrest der 1221 verbrannten
älteren Kirche. Man behielt ihn bei: so erklärt sich die Unregelmäßigkeit an dieser Stelle. Das Erdgeschoß des Turms
mußte den südlichen Nebenchor ersetzen : hier befand sich der Michaelsaltar, der oben erwähnt wurde.
3 Die Größe ist 25x14 cm. Ich habe das Original nicht gesehen.
4 Den Nachweis der Quelle gibt Gauthier a. a. O. S. 260.
136
handelt, ist offenbar das große zweiteilige an der Südseite, das aus einer geräumigen Vorhalle in das Pseudo-
Querhaus führt.
Die dritte Quelle bildet eine Zeichnung, die die Stadtbibliothek zu Besancon verwahrt. Sie finden
sich im Ms. 732, das den Titel trägt: Opuscules d’histoire ecclösiastique de l’abbe J. B. Fleury, auf
Fol. 24. Ich kann sie hier (Taf. 57, Abb. 1) mitteilen1.
Sehen wir zu, was uns diese Quellen lehren. Der Grundriß, um mit diesem zu beginnen, zeigt
deutlich die Merkmale der burgundischen frühen Gotik. Mit dem Grundriß von St. Benigne in Dijon
z. B. (Dehio und v. Bezold Taf. 367, 7) teilt er die drei gleichgerichteten Apsiden2, das Zwischenjoch
zwischen diesen und dem Querhaus, dessen verkümmerte Gestalt (Pseudo-Querhaus), die Jochteilung (kein
„gebundenes“ System). Wenn man die — späteren — Kapellenreihen an der Nord- und an der Südseite
wegdenkt, wird die Ähnlichkeit augenscheinlich. Das ist nicht ohne Bedeutung. Wenn dieser Grundriß
tatsächlich bald nach 1221 festgelegt wurde, so gibt er ein besonders frühes Beispiel dieser Disposition.
Auf die Form des Portals und der Vorhalle, wie sie der Grundriß zeigt, werde ich weiter unten
zu sprechen kommen.
Die Angaben Dunod’s werden wir am besten sofort in Verbindung mit der Erörterung der dritten,
der wichtigsten Quelle, die uns zur Rekonstruktion unseres Portals zur Verfügung steht, verwerten. Diese
wichtigste Quelle ist trotz ihrer Flüchtigkeit die Zeichnung des Abbö Fleury. Mit der Feder offenbar rasch
ausgeführt und leicht angetuscht3, gibt sie den Zustand des Portals vermutlich kurz vor dem Abbruch
wieder. Wir sehen in der Mitte eine breite Tür, durch einen Pfeiler geteilt. An dem Pfeiler eine Säule,
die etwa in halber Höhe des Pfeilers über einem kräftigen Schaftring eine Figur trägt: den Erzengel
Michael. Über seinem Kopf erscheint das Kapitell der Säule und darüber werden — von einer glatten
Fläche abgeschnitten — die Anfänge, d. h. die Bogenfüße eines Baldachins sichtbar. Zu beiden Seiten
der Tür stehen vor glatten Wandflächen auf flach geschwungenen kastenartigen Wandbänken je sieben
Figuren. Sie erheben sich über figurierten Einzelsockeln, die wie es scheint Fußplatten haben. Hinter
den Figuren ist wie gesagt beiderseits eine glatte Wand, auf die sie ihre Schatten werfen. Nur über den
Köpfen ist zwischen diesen Wandflächen und der Fläche, die einheitlich den Türsturz und alles, was über
ihm liegt, ebenso aber die oberen Teile der Wände zu beiden Seiten des Portals deckt, beiderseits ein
Spalt. Und in diesem Spalt erscheinen wiederum die — wahrscheinlich verstümmelten — Kapitelle und
die unteren Abschnitte von Baldachinen.
Zum Verständnis des Zustands, den die Zeichnung wiedergibt, verhilft uns nun eine Nachricht
über das Schicksal unserer Portalvorhalle in den Hugenottenkriegen4. Im Jahr 1575 hatte man eine
1 Auf die Spur dieser Zeichnung hat mich Emma Maria Blaser gebracht (Gotische Bildwerke der Kathedrale
von Lausanne. Basel 1918. S. 52). Der Stadtbibliothek zu Besancon danke ich auf das Beste für die mir gewordene
genaue Auskunft und für die Photographie der Zeichnung. Auch J. Gauthier (s. oben Anm. 1) erwähnt eine Zeichnung
des Portals, die von dem Abbe Fleury herstamme. Diese Zeichnung scheint aber mit der der Stadtbibliothek nicht
identisch. Nach einer Mitteilung des Herrn H. Michel befand sich dies zweite Blatt im Besitz Gauthiers und wurde, wie
man erzählt, nach seinem Tod (1908) mit allerlei Manuskripten als Altpapier verkauft.
2 Am Ende des südlichen Seitenschiffs stand ein romanischer Turm, der einzige Überrest der 1221 verbrannten
älteren Kirche. Man behielt ihn bei: so erklärt sich die Unregelmäßigkeit an dieser Stelle. Das Erdgeschoß des Turms
mußte den südlichen Nebenchor ersetzen : hier befand sich der Michaelsaltar, der oben erwähnt wurde.
3 Die Größe ist 25x14 cm. Ich habe das Original nicht gesehen.
4 Den Nachweis der Quelle gibt Gauthier a. a. O. S. 260.
136