Kara-Amid.
Von Josef Strzygowski-Wien.
Mit 7 Abbildungen im Text und auf 2 Tafeln (III/IV).
as schwarze Amid heißt bei den Türken
jenes alte Amida, das jetzt gewöhnlich mit
der arabischen Bezeichnung Dijarbekr1
benannt wird. Die Stadt liegt im nördlichen
Mesopotamien am Tigris, nahe der armenischen
Grenze. Sie erscheint schwarz, weil ihre Mauern
und Bauten aus schwarzem Basalt aufgerichtet
sind. In den Kämpfen zwischen den beiden
Weltreichen der ausgehenden alten Welt, Rom-
Byzanz und Persien, hat sie eine große Rolle
gespielt; daraus erklären sich die in konstanti-
nischer Zeit errichteten starken Mauern, die von
allen späteren Herren der Stadt sorgfältig in Stand
gehalten wurden. Man wußte bisher wenig von
ihr; doch war die allgemeine Aufmerksamkeit
nicht nur durch die berühmten schwarzen Mauern
gespannt, sondern vor allem auch durch zwei
überreich mit Schmucksäulen und Ornamenten
bedeckte Fassaden, über die sich nichts Näheres
erfahren ließ.
Das ändert sich jetzt mit einem Schlage. Es
gibt heute keine zweite Stadt des ferneren Orientes,
über die wir so gut unterrichtet wären. Legations-
rat Freiherr von Oppenheim brachte vor Jahren
die ersten Photographien mit; sie sind in meiner
Arbeit über Mschatta verwertet. Wichtiger wurden
die Notizen und Lichtbilder des französischen
Generals de Beylie, die Max van Berchem und
mich zu der eben erschienenen Monographie über
Amida veranlaßten2. Ich konnte in diesem Werke
auch noch die Aufnahmen von Gertrude Bell,
Dr. Grothe3 und dem Architekten Preußer der
Assurexpedition verwerten. Erst nach Abschluß
des Druckes aber ward mir eine große Reihe
x) Hinsichtlich der Transkription türkischer, arabischer,
persischer, indischer, chinesischer, japanischer Namen und
Worte muß ich die Verantwortlichkeit den Verfassern der
einzelnen Aufsätze überlassen. Zu einer allgemein aner-
kannten einheitlichen Transkriptionsmethode ist die orien-
talische Sprachwissenschaft noch nicht gelangt.
Der Herausgeber.
2 Max van Berchem und Josef Strzygowski, Amida,
Heidelberg, Carl Winters Universitätsbuchhandlung 1910.
3 Vgl. auch Grothes „Geographische Charakterbilder aus
der asiatischen Türkei“, Tafel XLIV—XLVI, Abb. 76, 77, 78.
weiterer Photographien von Miß Bell zugänglich,
um deren Existenz ich nicht wußte. Ändern sie
auch nichts an den Resultaten des Amidawerkes,
so sind sie doch geeignet, von manchem, das
dort ausführlich besprochen wird, eine anschau-
lichere Vorstellung zu geben. Ich gebe daher
im „Orientalischen Archiv“ eine Vervielfältigung
derjenigen Lichtbilder, die besonders wertvoll
sind, und begleite sie unter Bezugnahme auf
mein Amidawerk mit den entsprechenden kunst-
historischen Erläuterungen.
Zunächst zwei Aufnahmen, die von der Zi-
tadelle der auf einem Hochplateau über dem
Tigris gelegenen Stadt genommen sind. Abb. 1
zeigt im Vordergründe die innere Mauer der
Zitadelle, dahinter das Häusermeer, durchsetzt
von Moscheen mit ihren Kuppeln und Minarets,
und rechts im Hintergründe die Ulu-Djami,
das Hauptdenkm-al von Dijarbekr, an dem
ein gut Teil der Stadtgeschichte hängt. Hoch
wie einer unserer Dome ragt das Giebeldach
mit dem vierkantigen Kampanile, d. h. dem
Minaret über die endlose Flucht von flach-
gedeckten Häusern. Noch ist uns das Innere
des im Typus der großen Moschee von Da-
maskus erbauten Heiligtums nur in sehr
flüchtigen Skizzen bekannt, nur vom Vorhofe
haben wir klare Vorstellungen. Davon gleich mehr.
Ich bleibe zunächst noch auf der Zitadelle.
Abb. 2 zeigt das Innere dieser im nordöstlichen
Winkel der Stadtmauern durch einen eigenen
Mauerzug abgegrenzten Bezirkes, in dem aller-
hand moderne Bauten der Militärverwaltung unter-
gebracht sind. In unserer Aufnahme erscheint
im Hintergründe unten der Tigris und die Höhen
am jenseitigen Ufer. An der Grenze des Vorder-
grundes links sieht man zwei Kuppeln, eine kleinere
weiße, die überschnitten wird von dem Tambur
einer größeren, die eingestürzt ist. Das ist die
heutige Erscheinung eines Kirchenbaues, an
dessen genauer Erforschung der Kunstgeschichte
außerordentlich viel liegen muß. Man gestattet
keine genauen Aufnahmen, weil die Ostkuppel
das Waffendepot von Dijarbekr birgt. Ich habe
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Von Josef Strzygowski-Wien.
Mit 7 Abbildungen im Text und auf 2 Tafeln (III/IV).
as schwarze Amid heißt bei den Türken
jenes alte Amida, das jetzt gewöhnlich mit
der arabischen Bezeichnung Dijarbekr1
benannt wird. Die Stadt liegt im nördlichen
Mesopotamien am Tigris, nahe der armenischen
Grenze. Sie erscheint schwarz, weil ihre Mauern
und Bauten aus schwarzem Basalt aufgerichtet
sind. In den Kämpfen zwischen den beiden
Weltreichen der ausgehenden alten Welt, Rom-
Byzanz und Persien, hat sie eine große Rolle
gespielt; daraus erklären sich die in konstanti-
nischer Zeit errichteten starken Mauern, die von
allen späteren Herren der Stadt sorgfältig in Stand
gehalten wurden. Man wußte bisher wenig von
ihr; doch war die allgemeine Aufmerksamkeit
nicht nur durch die berühmten schwarzen Mauern
gespannt, sondern vor allem auch durch zwei
überreich mit Schmucksäulen und Ornamenten
bedeckte Fassaden, über die sich nichts Näheres
erfahren ließ.
Das ändert sich jetzt mit einem Schlage. Es
gibt heute keine zweite Stadt des ferneren Orientes,
über die wir so gut unterrichtet wären. Legations-
rat Freiherr von Oppenheim brachte vor Jahren
die ersten Photographien mit; sie sind in meiner
Arbeit über Mschatta verwertet. Wichtiger wurden
die Notizen und Lichtbilder des französischen
Generals de Beylie, die Max van Berchem und
mich zu der eben erschienenen Monographie über
Amida veranlaßten2. Ich konnte in diesem Werke
auch noch die Aufnahmen von Gertrude Bell,
Dr. Grothe3 und dem Architekten Preußer der
Assurexpedition verwerten. Erst nach Abschluß
des Druckes aber ward mir eine große Reihe
x) Hinsichtlich der Transkription türkischer, arabischer,
persischer, indischer, chinesischer, japanischer Namen und
Worte muß ich die Verantwortlichkeit den Verfassern der
einzelnen Aufsätze überlassen. Zu einer allgemein aner-
kannten einheitlichen Transkriptionsmethode ist die orien-
talische Sprachwissenschaft noch nicht gelangt.
Der Herausgeber.
2 Max van Berchem und Josef Strzygowski, Amida,
Heidelberg, Carl Winters Universitätsbuchhandlung 1910.
3 Vgl. auch Grothes „Geographische Charakterbilder aus
der asiatischen Türkei“, Tafel XLIV—XLVI, Abb. 76, 77, 78.
weiterer Photographien von Miß Bell zugänglich,
um deren Existenz ich nicht wußte. Ändern sie
auch nichts an den Resultaten des Amidawerkes,
so sind sie doch geeignet, von manchem, das
dort ausführlich besprochen wird, eine anschau-
lichere Vorstellung zu geben. Ich gebe daher
im „Orientalischen Archiv“ eine Vervielfältigung
derjenigen Lichtbilder, die besonders wertvoll
sind, und begleite sie unter Bezugnahme auf
mein Amidawerk mit den entsprechenden kunst-
historischen Erläuterungen.
Zunächst zwei Aufnahmen, die von der Zi-
tadelle der auf einem Hochplateau über dem
Tigris gelegenen Stadt genommen sind. Abb. 1
zeigt im Vordergründe die innere Mauer der
Zitadelle, dahinter das Häusermeer, durchsetzt
von Moscheen mit ihren Kuppeln und Minarets,
und rechts im Hintergründe die Ulu-Djami,
das Hauptdenkm-al von Dijarbekr, an dem
ein gut Teil der Stadtgeschichte hängt. Hoch
wie einer unserer Dome ragt das Giebeldach
mit dem vierkantigen Kampanile, d. h. dem
Minaret über die endlose Flucht von flach-
gedeckten Häusern. Noch ist uns das Innere
des im Typus der großen Moschee von Da-
maskus erbauten Heiligtums nur in sehr
flüchtigen Skizzen bekannt, nur vom Vorhofe
haben wir klare Vorstellungen. Davon gleich mehr.
Ich bleibe zunächst noch auf der Zitadelle.
Abb. 2 zeigt das Innere dieser im nordöstlichen
Winkel der Stadtmauern durch einen eigenen
Mauerzug abgegrenzten Bezirkes, in dem aller-
hand moderne Bauten der Militärverwaltung unter-
gebracht sind. In unserer Aufnahme erscheint
im Hintergründe unten der Tigris und die Höhen
am jenseitigen Ufer. An der Grenze des Vorder-
grundes links sieht man zwei Kuppeln, eine kleinere
weiße, die überschnitten wird von dem Tambur
einer größeren, die eingestürzt ist. Das ist die
heutige Erscheinung eines Kirchenbaues, an
dessen genauer Erforschung der Kunstgeschichte
außerordentlich viel liegen muß. Man gestattet
keine genauen Aufnahmen, weil die Ostkuppel
das Waffendepot von Dijarbekr birgt. Ich habe
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