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Grothe, Hugo [Bearb.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 1.1910/​1911

DOI Artikel:
Schulz, Walter Philipp: Die islamische Malerei, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.69602#0030

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Die islamische Malerei.
Von Philipp Walter Schulz-Berlin.
Mit 16 Abbildungen auf 4 Tafeln (V—VIII).*
I.

ISS s zeugt von der wachsenden Wertschätzung
mohammedanischer Kunst auch in Deutsch-
SOS land, wenn einem bisher so unbekannten
Gebiete, ihrer Malerei, in den letzten Jahren ein
reges Interesse dargebracht wird. Dies Jahr wartet
sogar gleich mit drei Ausstellungen1 auf, und zwar
in einer Geschlossenheit und Vollständigkeit wie
nie zuvor. Zwar war die Berliner Sonderausstell-
ung, aus lokalen Sammlungen bestehend, gewisser-
maßen nur eine Einführung in die islamische Mal-
kunst mit hauptsächlicher Berücksichtigung der
Kalligraphie, aber ihr großer Erfolg lieferte den Be-
weis, daß sich auch an die Miniaturmalereien des
Islams, die bisher meistens nur vom philologisch-
literarischen oder kulturhistorischen Standpunkte
aus gesammelt wurden, getrost ein hoher ästhe-
tischer Maßstab anlegen läßt, und daß sie den
Vergleich mit der mittelalterlichen europäischen
Buchmalerei nicht zu scheuen brauchen. Freilich
was wir Christen hohe Kunst nennen, ein inner-
liches Erleben oder eine mystisch heilige Gedanken-
tiefe des Buddhismus, Symbolik und Allegorie
darf man in dieser illuminierenden Buchkunst2
mit ihren figuralen Szenen zu den Werken natio-
naler Dichtkunst und Geschichte auch in der
am höchsten stehenden, der persischen, nicht
suchen. Von ausgesprochen dekorativem Cha-
rakter sind es naive Märchenphantasien, die das
Auge mit farbiger Pracht umschmeicheln wollen.
Stilisiert ist Natur und Mensch, selten einmal An-
sätze zur Realität und zum Historienbild. Nach
ostasiatischen Kunstregeln flächenhaft behandelt,
1 Berlin 1910: „Orientalische Buchkunst“. München
1910: „Ausstellung von Meisterwerken mohammedanischer
Kunst“ und „Ausstellung von Handschriften aus dem isla-
mischen Kulturkreis, veranstaltet von der Münchner Hof-
und Staatsbibliothek.“ Über diese Ausstellungen finden
sich nähere Berichte Seite 37—40 dieses Heftes.
Der Herausgeber.
2 Da Werke der Großmalerei nur spärlich erhalten
sind, gibt allein die Kleinmalerei des 12. bis 18. Jahrhunderts
genügend Aufschluß über die islamische Malkunst.

fehlt ihnen das Körperliche, die Raumwirklichkeit,
mangelt ihnen die Kenntnis der Perspektive und
Anatomie. Meisterlich dagegen ist die unübertrof-
fene Leuchtkraft und Harmonie ihrer Farben \ ihre
Poesie und das feine Gefühl für den Zauber der
Natur. Sicherlich hätten die Maler des Islams,
vor allem aber die Iraner, unter normalen Ver-
hältnissen Vollkommenes bieten können, aber
stets waren fanatische, religiöse Skrupel stärker
als alte Kunsttraditionen und natürliche Veran-
lagung. Die Malkunst wurde geduldet wie ein
Spiel, sie galt für ein sündhaftes Übel, war somit
keine künstlerische Notwendigkeit. Schrift ging
stets über Bild. Weil ihr die Popularität fehlte,
wurde sie nicht das, was sie hätte sein können,
eine große Kunst. Und doch gab es Zeiten, wo
es schien, als wollte auch im Chalifenreich die
monumentale Malerei über die aus dem Judentum
überkommene Abneigung der Araber gegen das
Figürliche siegreich triumphieren. Den Warnungen
des Propheten und der strengen Überlieferung2
entgegen, schmückten bereits unter den Omma-
jaden zahlreiche berühmte Maler, vereint mit ihren
byzantinischen Lehrmeistern, die Moscheen und
Paläste von Damaskus und der Provinz mit Wand-
bildern. Makrisi schrieb ihre Biographie, aber
sie ging verloren. Bis zur Begründung Bagdads
762 n. Chr. läßt sich von einer Malkunst der
Araber nicht gut sprechen, ihre Künstler wandeln
wahllos in den Bahnen der syrischen Spätantike.
Es ist aus dieser Zeit nichts erhalten, außer einem
noch ziemlich unsicheren Zeugnis, der malerischen
Ausschmückung des in der ersten Hälfte des
8. Jahrhunderts erbauten Lustschlosses Kusejr
Amra3 im Ostjordanlande mit ihren Allegorien, ihren
1 Eine Art von Deckfarbenmalerei bei den Persern,
von Temperamalerei bei den Indern.
2 Gayet, „l’art arabe“, p. 56 und Kremer, „Kulturge-
schichte des Orients“ II, p. 303.
s Kaiserl. Akademie der Wissenschaften. Wien 1907.
„Kusejr Amra“.

* Ein Teil der hier aufgenommenen Abbildungen gelangt erst im zweiten Teil des Artikels in Heft 2 zur
näheren Beschreibung.

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