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Grothe, Hugo [Bearb.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 1.1910/​1911

DOI Artikel:
Vogel, Jean Philippe: Der Brahmanische Opferpfosten von Îsâpur
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https://doi.org/10.11588/diglit.69602#0144

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Der Brahmanische Opferpfosten von Isäpur.
Von J. Ph. Vogel-Simla.

geschriebene Geschichte Indiens be-
ßSSj ginnt nicht früher als ungefähr 1200 n.
Chr., d. h. von der Zeit der Befestigung
mohammedanischer Herrschaft in Delhi. Erst im
Laufe des letzten Jahrhunderts haben europäische
Gelehrte die Geschichte der prä-islamischen Periode
mühsam aus Münzen und Inschriften hergestellt.
Zuerst entzifferte James Princep die Edikte des
Maurya Asoka, in denen er die Namen fünf zeit-
genössischer hellenistischer Herrscher vorfand,
nämlich Antiochos von Syrien, Ptolemäos II. von
Ägypten, Antigonos von Makedonien, Magas von
Kyrene and Alexandros von Epyros. Diese wich-
tige Entdeckung ermöglichte es, die Zeit des
großen buddhistischen Kaisers des alten Indiens
um 250 v. Chr. anzusetzen.
Es war ein bedeutsamer Fortschritt, als
J. F. Fleet den Anfang der im nördlichen Indien
von der Gupta-Dynastie benutzten Zeitrechnung
auf 319 n. Chr. bestimmte. Nun blieb die große
Frage, wie diese zwei Perioden der alten Ge-
schichte Indiens — die der Maurya und die der
Gupta-Dynastie — zusammenzuketten seien.
Es ist eine bekannte Sache, daß von etwa
150 v. Chr. an griechische oder vielmehr gräco-
baktrische Könige das nordwestliche Indien be-
herrschten. Ihre Münzen, welche eine allmäh-
liche Entartung von rein klassischen Typen zu
barbarischen Nachahmungen zeigen, haben es er-
möglicht, die chronologische Reihenfolge dieser
Fürsten festzustellen. Nicht weniger merkwür-
dige Überreste ihrer Herrschaft sind die wunder-
baren gräco-buddhistischen Skulpturen, die im
Gebiete jenseits des Indus — dem alten Gandhära
— in so großer Menge ausgegraben worden sind.
Im ersten Jahrhundert n. Chr. wurden diese
indo-baktrischenFürstenvonausländischenHorden,
teils parthischer und teils skytischer Nationalität,
überwältigt. Aus dem Chaos der streitigen Ele-
mente trat eine mächtige Dynastie skytischen
Ursprungs — die der Kushane — hervor, welche
während längeren Zeitverlaufs im nördlichen In-
dien regierte. Aus Inschriften kennen wir die
Namen dreier Kushan-Könige: Kanishka, Huvishka

und Väsudeva, deren Regierungsfrist ungefähr
ein Jahrhundert gedauert haben muß. Diese In-
schriften sind meistens genau datiert; allein die
darin verwendete Zeitrechnung ist leider unsicher.
Während einige Gelehrte wie J. F. Fleet meinen,
daß sie mit der Vikrama-Ära identisch sei und
folglich von 57 v. Chr. anfange, behaupten an-
dere, es sei die Saka-Ära welche von 78 v. Chr.
begann. Es ist jedenfalls höchst wahrscheinlich,
daß die betreffende Ara mit dem Regierungsan-
tritt Kanishka’s anfing.
Kanishka wird von den Buddhisten als nach
Asoka der größte Beschirmer ihrer Religion ge-
rühmt. Im vergangenen Jahre ist sein Name auch
in weiteren Kreisen des Westens bekannt ge-
worden, als die „Reliquien Buddha’s“ in Peshäwer
von Dr. Spooner entdeckt wurden. Denn nach
dem Zeugnis des chinesischen Pilgers Hiuen
Tsiang war Kanishka der Stifter des gewaltigen
Denkmals, dessen Trümmerhaufen diese Reliquien
enthielt. Und freilich steht sein Bild auf dem
Reliquarium gerade so wie es seinen Münzen
eingeprägt ist.
Auch Huvishka begünstigte den Buddhismus.
Er stiftete in Mathura an der Jamnä ein großes
buddhistisches Kloster, das nach ihm benannt
wurde. Unter seiner Beschirmung erreichte die
Skulpturschule, welche damals in Mathura blühte,
ihren Höhepunkt. Die Regierungszeit des Väsu-
deva, des letzten der großen Kushan-Könige, be-
deutet einen Verfall der Kunst. Es geht aus
seinem indischen Namen hervor, daß damals die
skytischen Herrscher schon völlig indianisiert
waren.
Die letzte Inschrift des Kanishka, die bis jetzt
vorgefunden ist, ist vom Jahre 10 datiert, die
früheste von Huvishka ist vom Jahre 33. Dieser
Lücke mehrerer Jahre ungeachtet, hat man im
allgemeinen angenommen, daß Huvishka der un-
mittelbare Nachfolger Kanishkas gewesen sei.
Aber eine neulich in Mathura gefundene Inschrift
beweist, daß diese Ansicht unrichtig ist. Sie
erwähnt nämlich einen neuen König namens
Vasishka, welcher offenbar der Kushan-Dynastie

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