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Grothe, Hugo [Bearb.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 1.1910/​1911

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Kleine Mitteilungen.
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https://doi.org/10.11588/diglit.69602#0081

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der

Kleine Mitteilungen.’
Lowther, veröffentlicht an der Spitze der „Times“ einen
Aufruf mit der Bitte um Gaben für eine englische
Schule in Konstantinopel, für die die türkische
Regierung bereits den Platz zur Verfügung ge-
stellt habe. Die „Times“ begründet die Notwendig-
keit eines solchen Schulunternehmens vom Standpunkte
des Handels aus und setzt auseinander, daß die Ent-
faltung des englischen Handels in der Türkei davon ab-
hängt, daß kaufmännische Agenten, die die englische
Sprache kennen, vorhanden sind. Eine englische Schule
sei vor allem imstande, solche heranzubilden.
.Was hat Deutschland bisher in der europäischen
und asiatischen Türkei auf dem Gebiete des Unterrichts
geleistet und welche Maßnahmen hat es getroffen, um
unter den Verhältnissen, wie sie in der „Neuen Türkei“
augenblicklich vorliegen, an den überall sich rührenden
kulturellen Arbeiten und Plänen als mitschaffend aufzu-
treten? Eine von Dr. Hugo Grothe anläßlich seiner
Studienreise durch Vorderasien zusammengestellte Über-
sicht („Die zivilisatorische und humanitäre Arbeit der
einzelnen Nationen in der asiatischen Türkei“, Anhang
zu „Zur Natur und Wirtschaft in Vorderasien“, I. „Per-
sien“. Angewandte Geographie III, 11) läßt deutlich er-
kennen, wie Deutschland auf diesem Felde hinter
Amerikanern, Engländern, Franzosen, Italienern
zurücksteht. Die deutsche Reichsregierung hat eine groß-
zügige Unterstützung ähnlicher kultureller Pläne noch
nicht zu erkennen gegeben. Aber auch die deutschen
Akademien und die deutschen Universitäten stehen bisher
im Gegensatz zu England und Frankreich gänzlich ab-
seits von solcher weittragender kultureller Tätigkeit. Die
Errichtung einer „deutschen Hochschule“ in der
Türkei (ähnlich der Universite St. Joseph in Beirut und
dem Presbyterian College am gleichen Orte mit be-
sonderer Pflege der medizinischen Fakultät, aber unter
Ausschluß des religiösen Charakters) wäre ein Unter-
nehmen, das glänzende Früchte tragen könnte, sowohl
für die Wissenschaft wie für Hebung der Allgemein-
bildung in der Türkei. Gerade türkische, (jüngst auch
armenische Kreise, die unlängst Adana als Sitz einer
solchen Hochschule empfahlen), haben seit Jahren ihre
Verwunderung darüber ausgesprochen, daß Deutschland,
das doch so bedeutende Sympathien in der Türkei genoß,
sich so wenig rührig in dieser Hinsicht zeigte. Im
Frühjahr 1909 bildete sich ein „Deutsches Vorder-
asienkomitee“, das die Absicht hat, sich behufs Auf-
klärung über die zu leistende kulturelle Arbeit im vorderen
Orient und zwecks Beschaffungen von Mitteln für die-
selbe sich an weiteste Kreise Deutschlands zu wenden1.
Hoffen wir, daß nach englischem und französischem Bei-
spiel auch von offizieller Seite diesen Plänen tat-
kräftige Hilfe geleistet wird. Über die vorgesehene
1 Vgl. auch den Aufsatz von Martin Hartmann „Deutschland und
der Islam“ im Heft 1 der begrüßenswerten neuen Zeitschrift „Der Islam“.
.Orientkunde an den deutschen Hochschulen“ und „Deutschtum
Der Herausgeber.
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Bildungswesen im Orient
Höhere Schulen in der Türkei. Auf Anregung
des türkischen Kammerpräsidenten Ahmed Riza hat sich
mit Unterstützung der Regierung ein Komitee gebildet,
um eine höhere Mädchenschule in Konstantinopel
zu begründen. Dasselbe setzt sich aus den höchsten
Beamten der verschiedenen Ministerien und aus einfluß-
reichen gebildeten Privatleuten zusammen. Ohne Zweifel
wird es dem Komitee bald gelingen, durch Subskription
und andere Mittel die erforderlichen Summen zusammen-
zubringen. Gleichzeitig hat die französische Kolonie
in Konstantinopel eine Eingabe mit zahlreichen Unter-
schriften ihrer hervorragendsten Angehörigen an den Ge-
sandten Bompard um Schaffung eines direkt von der
französischen Universität abhängenden Lyzeums ge-
richtet. „Dies Universitätslyzeum würde die Vollendung,
die natürliche Krönung des französischen Schulwerks in
der Levante sein; es würde dazu beitragen, die französi-
schen Ideen auszubreiten, ohne eine gefährliche Kon-
kurrenz für die freien Unternehmungen aller Art, die an
demselben Werk arbeiten, zu bedeuten.“ Es würde vor
allem „unseren teuren ottomanischen Mitbürgern dienen,
denen das Französische zur zweiten Muttersprache ge-
worden ist“. Selbstverständlich geht dieser Plan von
der „Mission Laique“ aus, deren Präsident, Aulard,
sich in beredten Aufsätzen und Aufrufen dieses „patrio-
tischen und nützlichen“ Unternehmens annimmt. Das
geplante Lyzeum würde außerdem die wertvolle Unter-
stützung der eben begründeten „Office nationale des
universites et des grandes ecoles frangaises“ erhalten,
das, nach dem Programm seines Vorsitzenden Paul
Dechanei, den doppelten Zweck hat: 1. die jungen
Fremden über das geistige Leben Frankreichs zu unter-
richten sowie ihnen die Mittel anzugeben, wie sie sich
mit diesem bekannt machen und in der französischen
Stadt, die sie für ihre Studien gewählt haben, ein
materiell zuträgliches und gesundes Leben führen können;
2. es soll im Auslande französische Zirkel und Biblio-
theken schaffen, französische Professoren zum Unter-
richt in der französischen Sprache statt fremder Lehrer be-
sorgen, endlich eine ständige Nachforschung anstellen, um
sich über den Stand des französischen Einflusses Rechen-
schaft zu geben und alles zu tun, was erforderlich ist,
um diesen aufrecht zu erhalten oder zu entfalten. Es
bedarf nicht erst des Hinweises, welchen gewaltigen
Fortschritt die Ausbreitung der französischen
Kultur im Auslande, speziell in der Türkei,
unter der Protektion dieses, von den französi-
schen Universitäten selbst begonnenen Werkes
gewinnen muß.
Aber auch England beginnt, auf kulturellem Ge-
biete gegenwärtig erneute Anstrengungen zu machen.
Der englische Gesandte in Konstantinopel, Sir Gerald
* Zu den in Heft 2 einzureihenden Rubriken „Forschungsreisen im Oiient .
iin Orient“ erbitten wir Beiträge aus den Kreisen der Mitarbeiter.

Orientalisches Archiv I, 6.
 
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