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Grothe, Hugo [Bearb.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 1.1910/​1911

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Fischer, Adolf: Über koreanische Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.69602#0225

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Über koreanische Kunst.

Von Adolf Fischer-Cöln a. Rh.
Mit 15 Abbildungen auf 3 Tafeln (XXXIII-XXXV).

ILsS^em Kunstfreunde und Kunstforscher, der
vertraut ist mit den Schätzen der Mu-
aw&n seen von Tokyo, Kyoto, Nara, der be-
rühmtesten Klöster und hervorragendsten Samm-
lungen Japans, klingt immer von neuem mit mah-
nender Stimme „Korea“ ins Ohr, als des Landes,
von dem Japan den Segen einer höheren Kultur
empfangen haben soll.
Die klassische Schönheit der in Japan befind-
lichen Holz- und Bronzeskulpturen, Tonstatuen,
Keramiken, Freskomalereien, vor allem die für
ihr hohes Alter wunderbar erhaltenen herr-
lichen Fresken in Horiuji, erwecken in der Seele
des Beschauers lebhaft den Wunsch, nach dem
Lande zu ziehen, wo die Wiege der großen
Kunst Japans stand, wo unter genialer Schöpfer-
hand keramische Werke entstanden, die das Ideal
der japanischen Ästheten bilden.
Es war im Herbst 1905, als ich mein lang ge-
hegtes Vorhaben ausführte und zum ersten Mal
nach Korea reiste, in der Hoffnung, dort trotz
des allgemein bekannten, unheilvollen, neunzehn
Jahre währenden japanischen Eroberungszuges,
im Verborgenen Überreste aus der Blütezeit
Koreas zu finden.

Korea befand sich, als ich es bereiste, gerade
im Übergangsstadium; obzwar dem Namen nach
ein selbständiges Reich, fühlte es doch den Tod
schon in allen Gliedern, wohl wissend und fürch-
tend, daß seine Tage gezählt waren.
Armut, unglaubliche Rückständigkeit, das
waren die Eindrücke, die die erbärmlichen,
kleinen, mit Stroh bedeckten, schornsteinlosen
Lehmhütten, deren Fenster der Hofseite zuge-
kehrt sind, hervorriefen, die die schmutzigen,
mit Reisstärke steif gestärkten, weit abstehenden
Kleider der herumlungernden Bewohner mit
ihren bizarren Kopfbedeckungen und Pfeifchen
von der Länge eines Spazierstockes auf mich
machten.
Nicht lange brauchte ich dazu, um zur Über-
zeugung zu gelangen, daß Korea vom ethno-
graphischen Standpunkt aus eines der interessan-
testen und ergiebigsten Länder sei, daß aber die

Spuren der Blütezeit einer großen Kunst total
verwischt, ja unauffindbar seien.
Bald trat ich zu dem geistreichen Mr. Hul-
bert, einem seit fünfzehn Jahren dort lebenden,
bei den Koreanern höchst einflußreichen ame-
rikanischen Missionar in Beziehung.
Ihm, dem damals in jeder Hinsicht besten
Kenner des Landes, erschienen meine Bemü-
hungen, den Spuren aus den ersten Jahrhun-
derten des Buddhismus nachzuforschen — einer
Zeit, wo Korea noch der gebende, befruch-
tende, Japan der empfangende Teil war — ver-
geblich.
In vieler Hinsicht verleugnet das heutige
Korea seine Vergangenheit.
Das Land, das schon im 6. Jahrhundert
(522 n. Chr.) als Verbreiter des Buddhismus
in Japan auftrat, an den japanischen Hof eine
Gesandtschaft mit heiligen Schriften, buddhis-
tischen Kultgeräten schickte, jst tatsächlich schon
lange ein dem Buddhismus abtrünniges Land.
Mit dem Beginn der zuletzt über Korea herr-
schenden Dynastie (1392) wurde der Buddhis-
mus mit Feuer und Schwert unterdrückt, der
Konfuzianismus zur Staatsreligion erhoben. Ja,
man ging in der Verfolgung des Buddhismus
sogar so weit, buddhistischen Mönchen bei
Todesstrafe zu verbieten, das Weichbild der
Stadt Seoul zu betreten, ein Verbot — es hatte
Gültigkeit bis in unsere Zeit — das der unsitt-
liche Lebenswandel vieler Mönche verursacht
haben soll.
Als irrig dürfte wohl die allgemein verbrei-
tete Ansicht gelten, daß die Japaner in Korea
unter Hideyoshi, Ende des 16. Jahrhunderts,
die altbuddhistische Kultur, von der wir in Japan
glänzende Zeugen in den Museen und Klöstern
vorfinden, barbarisch zerstörten.
Mit der staatlichen Vernichtung des Buddhis-
mus in Korea Ende des 14. Jahrhunderts schloß
Korea seine eigene Entwicklung ab, ging ganz
in der chinesischen Kultur der Mingdynastie
(1368—1644) auf, wurde also in kultureller Hin-
sicht eine von China abhängige Provinz. Nicht

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