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Grothe, Hugo [Bearb.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 1.1910/​1911

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Fischer, Emil: Sind die Rumänen ein Balkanvolk?
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https://doi.org/10.11588/diglit.69602#0120

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Sind die Rumänen ein Balkanvolk?
Von Dr. Emil Fischer-Bukarest.
Mit 13 Abbildungen im Text und auf 2 Tafeln (XX/XXI).

s gehört in Rumänien zum guten, „patrio-
tischen“ Ton: die Herkunft des rumänischen
3 Volkes vom Balkan wie eine Beleidigung
abzulehnen. Doch hoffentlich nur der sogen.
Dakorumänen, denn: daß der Ursprung der
Istro-, Meglo- und Macedovla^en mit aller
Sicherheit, einzig und allein, auf dem Balkan ge-
dacht werden kann, das unterliegt nicht dem
geringsten Zweifel1.
Bleiben also nur noch
die Dakorumänen
d. h. die Rumänen
nördlich der Donau
übrig und wir wollen
ihre Herkunft in Kürze
nach allen Richtungen
untersuchen: anthro-
pologisch, historisch,
sprachlich, ethnogra-
phisch (prähistorisch),
kunstgeschichtlich und
so weiter. Ich habe
auf allen diesen Gebieten neue, zwingende Be-
weise herbeischaffen helfen.
Zunächst sei daran erinnert, daß L. Colescu
selbst, der Chefstatistiker des rumänischen Do-
mänenministeriums, die (Dako-)Rumänen auf
Grund ihrer ungewöhnlich großen Geburtsziffer
und außergewöhnlich großen Kindersterblichkeit,
nicht zu den Romanen, sondern zu den süd-
europäischen Völkern rechnet2, was auch J. Scär-
lätescu („Miscarea populatinnei Romäniei pe ani
1898 si 1899“, Vorwort von L. Colescu, 1906)

1 Vergl. „Die Herkunft der Rumänen“ von Dr. Emil
Fischer, Bamberg, 1904 und meine vielen Spezialarbeiten
im Arch. f. Anthropol., im Globus, in der Ztsch. f. Ethnol.,
im Korrespondenzbl. d. Vereins f. Siebenb. Landeskunde,
des deutschen Vereins f. Anthropol., Ethnol. u. Urgeschichte,
in der „Umschau“, in meiner „Kulturarbeit des Deutsch-
tums in Rumänien“ usw.
2 »Population de la Romanie« (Resume demographi-
que presente ä la IX e session de 1’Institut international
de statistique) Berlin, 1903.

bestätigt1. Erwähnen wir dazu ihre (durchschnitt-
lich) ausgesprochene Kurzbeinigkeit und Rund-
köpfigkeit, die (vorwaltend) dunkle Haut-, Augen-
und Haarfarbe, so haben wir ihre anthropolo-
gisch nahe Stellung zu den Südslaven genügend
gekennzeichnet.
Daß die Geschichte auch der Dakorumänen,
seit frühester Zeit von Byzanz, vom Balkan her
auf das nachhaltigste
beeinflußt worden ist,
ist endgültig ausge-
macht. Nicht nur ist
das ganze Hofzeremo-
niel von Konstanti-
nopel entlehnt, auch
die Hofwürden, die
Tracht der Bojaren, das
alte Gewohnheits-
recht (obiceiu terei),
die meisten Bojaren-
familien, ja die bei-
den Fürstenge-
schlechter der Bassaraba und Brancovan
stammen vom Süden der Donau her. Wer die
Kleidung und Haartracht der heutigen Nord-
rumänen mit jenen auf dem Siegesdenkmal von
Adam-Klissi verglichen hat, der zweifelt keinen
Augenblick mehr an der thrakisch-balkanischen
Herkunft auch ihrer heutigen Träger. Soll ich
noch an das bulgarisch-asenidische2 Reich, an
die Herrschaft der Bulgaren bis an die Theiss und
in Siebenbürgen, an die türkische und phanario-
tische Phase der rumänischen Geschichte erinnern?
Sprachlich unterliegt die Herkunft der Ru-
mänen vom Balkan, heutigentags, auch keinem
Zweifel mehr. Sie ist durch Prof. Rösler, Ji-
recek, Schwicker usw. für alle Zeiten sicher-
gestellt3. Auch die rumänischen Gelehrten: Häs-
1 Nach dem neuesten Ausweis L. Colescus (1910) be-
trug die Kindersterblichkeit 33°/0.
2 Die Aseniden (Peter, Caloian) waren Halbwalachen.
3 Man vergleiche auch meine sprachgeschichtlichen
Untersuchungen.


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