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Grothe, Hugo [Oth.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 1.1910/​1911

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Kleine Mitteilungen.
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https://doi.org/10.11588/diglit.69602#0313

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Kleine Mitteilungen.

Ausstellungen.
Japans Teilnahme an der internationalen
Kunstausstellung iu Rom. Die Kollektion, die
Japan zur diesjährigen Kunstausstellung nach Rom ge-
schickt hat, verdient aus verschiedenen Standpunkten
Aufmerksamkeit. Für die Freunde der alten Malerei
der Japaner sind einige Stücke da, an denen sie ihr
Studium vertiefen können und die lebendige Kunst des
Landes ist durch eine Auswahl vertreten, die außer dem,
daß sie über die gegenwärtig herrschenden Richtungen
Aufschluß gibt, auch in die Zukunft blicken läßt. Die
Reihe der alten Gemälde enthält im ganzen 24 Werke,
worunter einige aus 2 oder 3 sich ergänzenden Kakemono
bestehen. Sie sind aus verschiedenen Perioden und Schulen
zusammengewählt. Das älteste unter ihnen, ein ziemlich
anspruchsloses Bild des Dichters Hitomaru von Nobuzane,
ist in sehr schlechtem Zustand und läßt die ursprünglichen
Qualitäten seiner Zeichnung und Farben nur ahnen. Un-
getrübten Genuß bietet dagegen eine Kwannon von Mokuan,
eine edel aufgefaßte harmonische Darstellung von feiner
Ton- und Linienwirkung. Das importanteste Stück der
ganzen Reihe ist ein auf brauner Seide gemaltes Bild der
Kwannon, angeblich von Cho-Densu, deren kalligraphischer
Strich von ungemein sicherer Hand und strenger klassischer
Schulung zeugt. Interessant ist noch daran, daß ein Teil der
Goldverzierung mit Kirigane aufgesetzt ist. Das Bild gehört
zu den besten Werken, die unter dem Namen des Meisters
gehen. Es wurde in der Nummer 138 der Kokka in
farbiger Reproduktion mitgeteilt. Die in chinesischem Stile
dargestellte Göttin gehört zu den erhabensten Erscheinungen,
die die Kunst des fernen Ostens geschaffen hat. — Eine
andere Kwannon von Shökei ist stark abgerieben und
restauriert, aber auch abgesehen davon minder schön. —
Ikonographisch sehr interessant ist eine charakteristische
nebelige Vedute von So-Ami, die aber nicht zu den größten
Leistungen des Meisters gehört Die Darstellung ist ver-
wandt mit 2 Landschaften aus der Folge der Hsiao- und
Hsiang-Ansichten, die in der Nummer 85 der Kokka an
5. und 6. Stelle publiziert wurden. — Sehr bedeutend ist
dagegen eine Gruppe von Pferden in verschiedenen Be-
wegungen von Sesshu. Man kann sich kaum etwas Geist-
reicheres und Lebendigeres vorstellen, als diese Sammlung
von verschieden agierenden Tieren. Ihre Darstellung zeugt
von der größten Freiheit, die sich ein Künstler der Natur
gegenüber erlauben kann. Das Werk ist ganz undekorativ,
seine Komposition jedoch im höchsten Grade überlegt.
Den Mittelpunkt der Komposition bildet ein Pferd mit
dunkler Mähne und Schwanz. Die anderen — rechts und
links — sind derartig gruppiert, daß sie fest zusammen-
hängende und doch klar differenzierbare Einzelheiten ab-
geben. Die kleine Tuschskizze hat einen rein intellektuellen
Charakter. Sie ist den Lesern der Kokka aus der Nummer
52 bekannt — Eine andere anspruchslose Tuschskizze —
eine Bachstelze von Sesson — ist gleich anderen Werken
ähnlichen Inhalts nur mit einigen gefühlvoll hingesetzten

Flecken gemalt. — Sehr mittelmäßig ist die Kunst Moto-
nobus vertreten durch einen mit ziemlich lockerer Pinsel-
führung gemalten Ochsentreiber. Zwei andere Kakemono —
Wildgänse und Hund — gehören nur seiner Schule an.
Sie tragen das Siegel von Nobumasa. — Die auf Papier
gemalten Tuschbilder — Fichte, Bambus und Adler — von
Chökuan zeichnen sich durch großzügige, strenge deko-
rative Zeichnung und sorgfältige Ausführung aus. Der
Hotei von Sanraku — Illustration zu einem Gedicht — ist
eine lebendige, gefühlvolle Darstellung.
Zierlich und mit feinem Schwung gezeichnet sind der
Adler und Phönix von Tannyu, in demselben Stile wie
das „Emblem der friedlichen Regierung“ (Kokka 100). —
Die Muscheln von Tosa Mitsuoki sind uns gleichfalls aus
der Kokka (Nr. 61) bekannt. Die Reproduktion gibt jedoch
von der Feinheit der liebevollen Durchführung keine rechte
Vorstellung. — Die Pferde am Weidenbaum vonTsunenobu
sind mit sehr breitem Pinsel, energisch und pointiert auf-
skizziert. Die darauffolgende Nummer — ein Hotei von
Itcho — zeichnet sich auch durch die Kraft des Striches
aus. Korins Oto-Gozen (publiziert in Nr. 197 der Kokka)
stellt den Meister nicht von seiner stärksten Seite vor, ist
jedoch — besonders in der Zeichnung des Kopfes — eigen-
artig. Kenzans Wels ist eine bescheidene, in Töpferstil
gehaltene Leistung. Geistreich komponiert ist die Affen-
gruppe von Buncho (Kokka 134). Die Ausführung des
Bildes zeigt keine Gebundenheit. — Jakuchu ist durch
einen geschmackvoll komponierten und schön ausgeführten
Karpfen (Kokka 19) vertreten. Ein Hündchen von Ökio
ist ganz impressionistisch, mit stoffbezeichnenden Flecken
und geistreichen Auslassungen, skizzenhaft dargestellt. Die
Affen von Sosen sind im breiteren Stile des Meisters ge-
halten. Vertreten sind noch unter den Anhängern der alten
Schulen Hogai und Gaho. Beim letzteren treten schon
westliche Elemente stark in Vordergrund.
Der moderne Teil der Ausstellung legt zweifellos
viel Unsicherheit an den Tag; sein Gesamteindruck ist
jedoch gewinnend. Den japanischen Künstlern von heute
gelang es noch nicht, eine mächtige, überzeugend wirkende
Kunstsprache zu schaffen. Sie dürfen aber deshalb nicht
verurteilt werden. Das Geistesleben des Landes bietet
noch dazu in seinem heutigen Übergangsstadium keinen
sicheren Grund. Was aber die gegenwärtig in Entwicklung
begriffene Kunst der Japaner Gutes aufzuweisen hat, das
ist noch alte Erbschaft und ich glaube, daß diese Erbschaft
noch für unabsehbare Zeiten ausreicht. Ich denke dabei
freilich nicht an die aristokratischen Kunsttraditionen, be-
sonders nicht an das kalligraphische Element. Die Pflege
der Kalligraphie als Kunst verträgt sich mit dem Geiste der
modernen Kultur nicht. Den Maruyama- und Ukiyoye-
Nachlaß, also die Hauptquelle der heutigen nationalen
Malerei der Japaner, halte ich aber nicht für totes Kapital.
Die offizielle hochmütige Beurteilung der demokratischen
Kunst muß nämlich mit der Zeit auch in Japan nach-
lassen und einer unbefangenen Erkenntnis der eigenen
schöpferischen Kraft Platz machen. Man hat auch in der

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