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Grothe, Hugo [Bearb.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 1.1910/​1911

DOI Artikel:
Winkler, Heinrich: Die mongoloiden Völker Europas und die Basken, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.69602#0253

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Orientalisches Archiv
I. Jahrgang, avavavavavavavavavavavavavavav Heft 4.

Die mongoloiden Völker Europas und die Basken.
Von Heinrich Winkler-Breslau.

II.
Mit 9 Abbildungen auf 1 Tafel (XXXVI).

Die Samojeden.
]O®ie Samojeden, ein sehr wenig gekanntes
ähjMB Volk, sitzen nur zu einem Teile in Europa.
Auch sie bewohnen ein für ihre geringe
Zahl ungeheures Gebiet; die Jurak-Samojeden, also
der einzige zum Teil in Europa beheimatete
Zweig, allein schon die unermeßliche Strecke
vom Weißen Meer an über die gewaltigen nord-
russischen Ströme wie die Petschora, Ob bis
an den Jenissei. Am unteren Jenissei sitzen
die Jenissei-Samojeden und östlich von ihnen
und den Jurak-Samojeden bis zur Chatangabucht
die Tawgy-Samojeden. Diese drei Hauptstämme,
die wieder in zahlreiche, deutlich geschiedene
Unterabteilungen zerfallen, die sich teilweise sehr
stark von einander unterscheiden, sind die Samo-
jeden der Tundra. Die beiden letzten Stämme,
die der Ostjak-Samojeden und der Kamassinzen,
leben südlich im Waldgebiet; die Ostjak-Samo-
jeden sitzen besonders im Gebiet der Ob-Neben-
flüsse Tschulym, Ket, Tschaya, Parabel, des Tym
und Narym, dann auch abseits besonders am
Tas, an der Baicha und dem Jelogui, selbst noch
nördlich von Turuchansk; die Kamassinzen im
Jenissei-Gebiet an der Mana und der Kana.
Die Sprachen der nördlichen Gruppe der
Jurak-, Tawgy- und Jenissei-Samojeden sind
zwar auch sehr deutlich als verschiedene Spra-
chen gekennzeichnet, bilden aber jedenfalls eine
enger zusammenhängende Gemeinschaft, und
einigermaßen, doch viel weniger ausgeprägt,
gilt das auch vom Ostjak-Samojedischen und
dem! Kamassinschen, doch ist das letztere stark
im Auflösungsprozesse begriffen und assimiliert

sich immer mehr dem benachbarten Türkischen.
Im ganzen muß man zugeben, daß sprachlich
der Zusammenhang aller dieser so unendlich
weit zerstreuten, an Zahl so geringen samo-
jedischen Bevölkerung inmitten finnischer, tür-
kischer, tungusischer Stämme, sowie solcher der
fast ausgestorbenen Ariner-Rasse, nämlich der
Kotten und der Jenissei-Ostjaken, ein ganz
außerordentlicher ist. Die fünf samojedischen
Sprachen bilden eine feste Einheit ähnlich wie
die finnischen, doch noch weit ausgeprägter als
diese, so daß man trotz der z. B. im Jurak-Samo-
jedischen selbständigen, überreichen Sonderent-
wickelung in einzelnen Punkten, wie der An-
wendung der unglaublich reich gestalteten Per-
sonal-, Possessiv- und Objektsuffixe, auf den
ersten Blick an jeder der fünf Sprachen den
samojedischen Charakter erkennen muß. Abge-
sehen von der eigentlichen Grundlage des Ge-
saimtbaus und der inneren Ähnlichkeit oder
völligen Gleichheit dieses Baues auf den ver-
schiedenen Gebieten der Formen- und Satzbil-
dung im einzelnen sind auch äußerlich die ver-
wendeten Elemente der Abwandlung in un-
gleich höherem Grade dieselben oder fast die-
selben als in den hierin unendlich viel indivi-
dueller entwickelten, mit zahllosen Neubildungen
operierenden finnischen Sprachen; oder, um ein
ganz konkretes Beispiel zu geben: sogar die
doch eng zusam'mengehörenden ugrischen Spra-
chen sind in ihrer Sonderentwickelung jede der-
art ihren eigenen Weg gegangen, daß sie sich
äußerlich in der Herausbildung so ziemlich jedes
einzelnen Hauptpunktes der sprachlichen Ent-

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