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Grothe, Hugo [Oth.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 1.1910/​1911

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Grothe, Hugo: Die Bevölkerungselemente Persiens, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.69602#0048

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Die Bevölkerungselemente Persiens.
Von Hugo Grothe.
I.

Mit 10 Abbildungen auf 3 Tafeln (XI—XIII).

in weites, noch wenig bebautes, aller-
dings nicht gerade leicht zu bearbeitendes
Feld liegt der Ethnographie in Vorder-
asien offen, das den Erdteilen Europa und
Afrika als verbindendes Glied sich entgegen-
streckend, die Völkerbrücke für so viele, aus
seinem asiatischen Rumpfland einbrechende und
nach den benachbarten Gebieten hinüberstre-
bende Völker geboten hat. Mannigfaltig und
zum Teil noch ungelöst sind die Probleme, die
an die ältesten Bevölkerungsschichten von Klein-
asien, Armenien, Mesopotamien und Iran, an
Hettiter, Lykier, Phrygier, das Volk von Urartu,
Babylon, Assur, Elam und Medien sich knüpfen.
Die Bevölkerungen des heutigen Vorderasiens
sind in ihren Merkmalen und in ihrer Entwick-
lung nur dann tiefer zu erfassen, wenn die Um-
schau nicht ohne einen Blick in die Verschmel-
zungsprozesse alter und neuer Völkerindividuen
sich vollzieht, also die Vergangenheit in An-
schlag bringt. Und die Gruppierungen, wie sie
gegenwärtig nach Staaten, Rassen, Stämmen,
Religionsgemeinschaften sich zeigen, werden in
ihren äußeren und inneren Zusammenhängen
nur greifbar, wenn die körperlichen und geisti-
gen Eigenschaften der Individuen der einzelnen
Verbände und die herrschenden Ideen und
Triebfedern religiöser und staatlicher Gestaltung
zur Prüfung herangezogen werden. Nicht min-
der ist es die Oberflächengestalt von Vorder-
asien und seiner einzelnen Räume, die zu einer
Betrachtung der Zusammenhänge von Mensch
und Boden auffordert und den Schlüssel zum
Verständnis mancher Phasen in der Entwicklung
der hier uns entgegentretenden Völker liefert.
Auf einem Gebiete von so überaus alter
Kultur und so eigenartiger geographischer Lage
wie Vorderasien, können wir befriedigende und
umfassende, der Einseitigkeit bare ethnogra-
phische Ergebnisse also nur dann erwarten,
wenn wir Rat pflegen bei Altertumskunde und

Geschichte, Sprach- und Religionswissenschaft,
Anthropologie und Geographie.
Zu den Ländern Vorderasiens, über dessen
Bevölkerungen eingehendere Untersuchungen
bisher nicht vorliegen, gehört vor allem Per-
sien. Ethnische Zusammensetzung, regionale
Verteilung der Rassen und Stämme, Abkunft,
Charakter und kulturelle Werte der einzelnen
Bevölkerungsglieder einer Betrachtung zu unter-
ziehen, soll Aufgabe der vorliegenden Studie
sein1. Eines springt sofort in die Augen: das
Mosaik der Rassen und Bekenntnisse in Persien,
letzteres nach Auffassung des Orientalen ein
Moment der Kennzeichnung und Scheidung, das
alle anderen Merkmale an Wichtigkeit über-
wiegt. So ungleichmäßig die Dichte der Be-
völkerung — Meeresküsten, wassergesegnete
Gebirgsränder und Beckenlandschaften begün-
stigen Ansässigmachung und Vermehrung, indes
gerade der innere Hochlandskern mit seinem
Steppencharakter nur dünne Besiedlung ver-
trägt —, so ungleichartig ist auch ihre Zu-
sammensetzung.
Wenig Gebiete sind es, die ein geschlossenes
blutreines Volkstum bergen. Es sind dies im
wesentlichen nur die Wohnsitze der Stämme
kurdischer und lurischer Zunge im Nordwesten,
Westen und Südwesten des Landes. Die Ira-
nier haben sich vorwiegend in den nördlichen
Alpenstrichen von Talysch, Gilän und Mäsändä-
rän, geschützt durch die schwere Zugänglich-
keit ihrer Berge, unvermischt erhalten2. Auch
1 Meine Ergebnisse können sich auf Augenschein und
eigene Erkundung stützen. Über meine Persienreise be-
richtete ich in der Schrift: Meine Reise in Vorderasien.
Vorbericht (Halle a. S. 1908) und in dem Buche: Wan-
derungen in Persien (Berlin 1910). Eine Karte der Be-
völkerungsverteilung Persiens wird dem zweiten Teile dieser
Studie beigegeben sein.
2 Für reine Iranier werden die LäkkStämme gehalten,
die noch in verschiedenen Gegenden Persiens sitzen und
von den persischen Machthabern bald hierhin, bald dorthin


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