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Grothe, Hugo [Oth.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 1.1910/​1911

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Die Ausstellungen orientalischer Kunst des Jahes 1910.
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https://doi.org/10.11588/diglit.69602#0078

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Die Ausstellungen orientalischer Kunst des Jahres 1910.

reich von einsichtsvollen Teppichimporteuren ins Werk
gesetzt wurde.
Eine erfolgreiche größere Veranstaltung auf dem Ge-
biete der Teppichkunde erwuchs erst wieder im vorigen
Jahr und zwar auf Veranlassung der Württembergischen
Regierung. Es war die „Ausstellung altorientalischer
Teppiche 1909 im Landesgewerbemuseum zu Stutt-
gart.“ Geboten werden sollte durch diese Ausstellung in
der Hauptsache nur der populär gewordene orientalische
Kleinteppich, dessen Reize und kunstgeschichtliche Be-
deutung jedoch in wissenschaftlichen Kreisen noch nicht
genügend gewürdigt sind.
Das Gesamtmaterial wurde in 4 Hauptabteilungen
zusammengefaßt, in eine persische, kleinasiatische, zentral-
asiatische und kaukasische. Die meisten, jedenfalls die
wichtigsten Teppiche wurden auf besonders konstruierten,
schrägen, pultartigen, mit dunklem Stoff bespannten Flächen
aufgelegt, damit sie bei dem fast senkrecht einfallenden,
reichen Oberlicht nicht nur die volle Pracht ihrer Farben
offenbaren, sondern auch alle Einzelheiten ihrer Muster
zum bequemen Studium darbieten konnten1. Es darf diese
Art zur Richtschnur empfohlen werden. Das Aufhängen
orientalischer Teppiche an senkrechten Wandflächen mit
ihrem Mangel gesunden Lichtes ist zu verwerfen. Sie sind
von Haus aus Bodenbeläge, keine Wandbehänge und können
nur in voller, reicher Bestrahlung von oben herab den
Zauber ihres Kolorits und den zarten Duft des glänzend
gewordenen Materials, sowie den Reiz ihrer Patina ent-
hüllen. Ein reich illustrierter Katalog lieferte die Hinweise
zum Verständnis der Gruppierung wie der wichtigsten Werte
im einzelnen der meist aus dem 18. und 19. Jahrhundert
stammenden kleinasiatischen, kaukasischen, persischen und
zentralasiatischen Kleinteppiche. Ein beigegebenes Land-
kärtchen gab, ähnlich wie s. Zt. im Wiener Katalog, alle
wichtigen Produktionsorte der alten Teppich weit an. Durch
äußerst lehrreiche schematische Darstellungen wurde
der lange Weg des Niederganges in der Zeichnung von
der alten, hohen, persischen Überlieferung aus dem 16. Jahr-
hundert herunter bis zu den bäurisch empfundenen Mustern
der Nomaden- und Hirtenvölker gezeigt. Wenn auch das
Stuttgarter Material der großen Wiener Teppichausstellung
notgedrungenerweise nachstehen mußte — den Haupt-
stock bot die alle Abkünfte umfassende reiche Sammlung
von Karl Hopf, Stuttgart — und von manchem der Ver-
gleich mit den ältesten noch erhaltenen Erzeugnissen der
orientalischen Knüpfkunst des 16. Jahrhunderts vielleicht
vermißt wurde, so entstand doch durch die ganze Ge-
schlossenheit dieser, alle dekorativen Nebenrücksichten ver-
meidenden Ausstellung, die durch die architektonisch präch-
tigen und lichtfreudigen Räume der Stuttgarter König-Karl-
halle erheblich unterstützt wurde, eine überaus schöne,
geradezu feierliche Gesamtwirkung.
Nach diesem Rückblick auf die beiden früheren Aus-
stellungen wenden wir uns zur Besprechung der Teppich-
darbietung in der „Ausstellung von Meisterwerken moham-
medanischer Kunst“ in Münschen 1910. Der in Tages-
zeitungen und Prospekten entwickelte, weit ausgreifende
Plan, der ihr zugrunde gelegt wurde, mußte allseitiges
1 vgl. die Abbildungen auf Tafel XV.

Interesse an dieser Veranstaltung wachrufen. Freilich
schien es zweifelhaft, ob in der kurzen Zeit von einigen
Monaten das verheißene riesengroße Material beigebracht
und geordnet werden konnte. Offenbar ist nun auch tat-
sächlich diese Frist viel zu kurz gewesen, denn manches,
was wir erwarten durften, blieb aus1. Der Besucher wird
sich des Eindruckes nicht erwehren, als ob die Räume für
das zusammengebrachte Material viel zu weitläufig sind.
Ferner, wie die Ausstellung der Teppiche dem Be-
schauer sich bietet, entsteht nur selten ein Eindruck von
Geschlossenheit. Es war wohl kein glücklicher Gedanke,
die zur Verfügung gestellten, von Haus aus sehr hellen
Räume mit künstlichen Einbauten zu versehen, die das
Licht rauben und dem Ganzen den Eindruck geben, als ob
eine gerade vorhanden gewesene Gelegenheit, die Unter-
konstruktion einer Kaserne, benützt worden wäre. Man
wollte einen orientalischen Eindruck erzielen und schuf, in
voller Verkennung der originalen Verhältnisse, eine bar-
barische Architektur. Die Wände versah man mit Kellen-
bewurf, der zwar zum Teil noch geglättet wurde, in der
Hauptsache aber bestehen blieb. Dem Sachkenner edler
Gewebe geht ein Gruseln durch die Nerven, wenn er die
kostbaren Teppiche, gebrechliche Altertümer, direkt auf
rauh verputztem Mauerwerk aufgehängt sieht!
Zu dem Mangel an geschlossener Darbietung kommt
noch, daß eine Gruppierung nach Abkunft und Zeit, wie
sie zum Studium zweckmäßig gewesen wäre, unterblieb,
und daß der erst Mitte Juli — drei Monate nach der Eröff-
nung — ausgegebene, nicht sonderlich sorgfältig gearbeitete2
wissenschaftliche Katalog leider nicht ersetzen kann, was
an Übersichtlichkeit und guter Gliederung vermißt wird.
Die zusammengebrachten Teppiche, in geeigneten, wenn
auch schlicht gehaltenen, so doch würdig ausgestatteten,
mit reichlichem Licht versehenen Räumen geboten, hätten
bei entsprechender Anordnung in München den Eindruck
von imponierender Fülle, ja von Reichtum und Festlichkeit,
wie er im richtigen Verhältnis zu dem Stoff gewesen wäre,
unstreitig erzielt. Hier hat offenbar der spezifisch münchne-
rische Dekorationssinn ein ungeeignetes Feld seiner Be-
tätigung gefunden.
Was nun das ausgestellte Teppichmaterial anbe-
langt, so ist dasselbe ebenso mannigfaltig wie instruktiv.
Die im Katalog gegebene Übersicht, bei der allerdings
manche Versehen zu verbessern wären3, zeigt:
Persischer Jagdteppich. Eigentum S. M. des Kaisers von
Österreich,
Persische Tierteppiche (Katalognummer 2—24),
Persische Baumteppiche (25—28),
Teppiche mit Herat-Muster (29—41),
Persische Teppiche mit ornamentalen Blumenranken, sogen.
Vasenteppiche (42—58),
Persische Gartenteppiche (59—60),
Persische Gebetsteppiche (61—64),
1 So fehlen u. a. die Prachtteppiche des Londoner Victoria Albert-
Museums.
2 Alle Samarkandteppiche sind unter „Kleinasien“ gestellt!? Die
Bemerkungen über die Technik der Teppichfabrikate — ein Moment,
wichtiger wie das der Farbe — sind recht dürftig.
3 Nr. 161 (den türkischen Teppichen eingereiht), ist wohl ein Mäsch-
häd; 166, 167, 170 stammen nicht aus der Türkei, sondern aus Samar-
kand; 173 ist aus Issfahän und nicht aus Indien u. a. m.

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