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Grothe, Hugo [Oth.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 1.1910/​1911

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Münsterberg, Oskar: Die Darstellung von Europäern in der japanischen Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.69602#0304

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Die Darstellung von Europäern in der japanischen Kunst.

aber es handelt sich wie bei aller übrigen
Kunst Japans nicht um eine japanische Erfin-
dung, sondern um eine Nachahmung Chinas.
Interessante Bilder im British Museum, die Aurel
Stein in chinesisch Zentralasien ausgegraben hat,
zeigen in Stil und Ausführung alle spezifischen
Eigentümlichkeiten des japanischen „nationalen“
Stiles, aber sie sind um ein oder mehrere Jahr-
hunderte älter.
Hideyoshi, der Napoleon Japans, war nicht
nur als General dem großen Korsen ähnlich,
sondern auch in seiner Freude an Glanz und
Prunk. Berühmt ist der Bau des glänzenden
und luxuriösen Schlosses Momoyama, das kurz
nach seiner Entstehung mit allen Kunstschätzen
niederbrannte. Viele Große seines Reiches
folgten seinem Beispiele. Für diese Periode
sind große Wandschirme, oft mit Goldunter-
grund, sehr bezeichnend, und die abgebil-
deten Originale entstammen dieser prunkvollen
Zeit. Die Wahl der Sujets ist charakteristisch.
Wir lernen das Interesse kennen, mit dem damals
die Japaner den Besuch der Fremden als politi-
schen Erfolg betrachteten.
Die folgenden Angaben beruhen teilweise auf
Übersetzungen japanischer Texte und schrift-
lichen Mitteilungen, für die ich Herrn Wede-
meyer in Leipzig, Herrn Hackin in Paris und
dem South Kensington Museum in London
dankbar bin.
Die Europäerdarstellung auf den erhaltenen
Wandschirmen aus dem Ende des 16. und dem
Anfang des 17. Jahrhunderts besteht aus weni-
gen sich häufig wiederholenden Motiven. Die
Ankunft von europäischen Schiffen in japani-
schen Häfen, die Ausschiffung der Fremden
und der Geschenke, die Reise über Land, die
Audienz bei Hofe und die Abreise.
Wenn das Leben der Fremden in Japan
geschildert wird, so sind stets Portugiesen, nicht
Spanier, dargestellt. Von den Mönchen wurden
vorwiegend Jesuiten abgemalt, da sie am läng-
sten und zahlreichsten in Japan waren Und sich
an vielen Orten aufhielten.
Meistens sind die Wandschirme sechsteilig
und es gehören inhaltlich zwei zusammen. Die
Handlung spielt sich von links nach rechts ab,
so daß auf dem linken Flügel des ersten Schir-

mes die Ankunft und auf dem rechten Flügel
des zweiten die Abreise abgemalt ist.
Derartige Wandschirme sowie einzelne Bilder
waren sicher sehr zahlreich vorhanden, aber die
meisten sind in der Zeit der Christenverfolgung
aus Angst oder aus Verachtung zerstört worden.
1. Sechsteiliger Wandschirm, von hervorragender Qua-
lität, im Besitz Sr. Kgl. Hoheit Prinz Rupprecht von Bayern
in München. (Tafel XLII und XLIII, Abb. 7) 1,7 m hoch und
3,9 m breit. Signiert vom Hofmaler Hideyoshis, Kano Naizen1
(1570—1616), offenbar zur Zeit der Gesandtschaft, 1597
nach eigenen Beobachtungen des Vorganges gemalt. Der
Untergrund ist mit Goldfarbe, das Meer schwarz, das Schiff
in hellerer Färbung gemalt. Die Personen sind in schwarz,
weiß und rot gehalten.
Der Inhalt der Darstellung ist im ersten Abschnitt aus-
führlich besprochen. Auf dem ganzen Bilde sind gerade so
wie bei Nr. 3 nur Europäer und gar keine Japaner, weder
bei der Abreise noch während der Reise, angedeutet, nur
Hideyoshi selbst nebst Kind und Frauen ist im Schlosse
dargestellt, aber von der japanischen Hoftracht ist völlig
abgesehen. Der mächtige Herrscher sitzt ohne alle Attri-

1 Kümmel hat für S. Kgl. Hoheit den Prinzen Rupprecht
von Bayern aus japanischen Quellen, deren leider meist
uninteressante Angaben hier gut kennen gelernt werden,
folgendes über den Künstler zusammengestellt:
„Kano Naizen-no-suke, geboren 1570 als Sohn des
Shigemitsu (Familienname unbekannt), eines Samurai des
Araki Murashige, Schloßherrn von Itami, der als Vater des
Stifters der Ukiyoe-Malerei Matahei bekannt ist. Nach
dem Sturze Murashige’s (1579) durch Oda Nobunaga wird
Shigemitsu Ronin und zieht in bitterster Armut nach Osaka.
Seinen Sohn gibt er einem Priester des Tempels Mitsugo-
nin in Negoro in die Lehre; diesem gelingt es aber nicht,
dem Knaben Interesse für die Schreibkunst einzuflößen,
und auch der Vater kann ihm nicht von seiner Passion
für die Malerei abbringen, die ihn von frühester Kindheit
beseelt. Als ihm eines Tages die Kopie eines buddhistischen
Bildes meisterlich gelingt, gibt der Vater schließlich seiner
Neigung nach und schickt ihn zu Kano Shöei (1520—1593)
in die Lehre. Hier zeigt er eine so außerordentliche Be-
gabung, daß Shöei den kaum 18jährigen in seine Familie
aufnimmt und ihn den Namen Kano Naizen Shigesato an-
nehmen läßt. Bisher hatte er den persönlichen Namen
Kyüzö geführt; noch später nennt er sich Shigenohu und
führt außerdem den Namen Ichio. Als Koide Yoshitsugu
(1539—1604), Daimyo von Kishiwada (Prov. Izumi), der
engere Landsmann und intime Freund Hideyoshis, sich
ein neues Schloß bauen ließ, malte Kano Naizen dafür
Fusuma (Schiebetüren) mit spielenden chinesischen Kindern.
Diese gefielen dem damals allmächtigen Kwampaku Hide-
yoshi so ausgezeichnet, daß er ihn zu seinem Hofmaler
machte und der ganze hohe Adel sich um seine Werke riß.
Naizen starb schon den 18. Mai 1616. Sein geistlicher
Name ist Ichiosai, als Stempel führt er das Zeichen wie
auf dem Schirm.“

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