Grossmann beginnt Ideen zu haben, zu zeichnen, Mass zu
nehmen. Grossmann ist immer sachlich und baldigst erhaben.
Taucht oft zu wenig ein in die Vorkommnisse.
Breitensträter wird gezwungen, das Nähere über seinenPersonen-
stand anzugeben. Kein Mensch macht Halt vor dieser prachtvollen
Vitalität. Nun weiss man, dass er aus Magdeburg ist und sagt:
Aus Magdeburg? Aber sehr lange in denWäldern in Westamerika.
Also „getouched“ vom Amerikanischen. Das war auch nicht anders
denkbar. Wie kommt sonst dieser Gleichmut, diese Kühle, diese
Susi von
Zimmermann
Ken6e Breiten- Gertrud
Sintenis sträter Sauermann
Berlin, Juni 1921
stilisierte Wurschtigkeit in diesen Bur-
schen hinein. Tn Deutschland denkt man
zudem noch immer bei Boxern oder
sonstigen Leibesübern: Was sind Sie
im Nebenberuf? Wie ist das Milieu?
Dieser hier ist abgeschliffen, abgespült
vom Leben im Freien, unter Fremden,
durch unalltägliche Ereignisse, die
durch Häufigkeit und Übung zu Alltäg-
lichem wurden. Er hat etwas durch-
gemacht, eine sehr wohltuende Schule,
um die wir ihn sofort beneiden, die
wir täglichen Ereignislosigkeiten aus-
gesetzt, das Gehirn als Ersatz bemühen.
Nichts europäisches, und doch nicht
Tagore. Wunder. Abereinangenehmes.
Er ist auch nicht griechisch. Nicht
die Spur. Kein Grieche aus Sachsen. Alles Erinnern unseres durch
klassisches Klischee vergifteten Gehirns muss zerstört werden. Fest-
gehaltene Bilder müssen Platz machen, damit ein neues Bild geprägt
wird. Aber wir übernehmen unbekümmert, wie vor uns schönheits-
trunkene Seher am Gymnasium griechische Vorbilder, nunmehr die
Vorbilder aus Gotik, Südsee, Ägypten. Ohne die geringste Skepsis,
ohne Leben wird die gangbare Vergangenheit nach Mustern abge-
sucht. Breitensträter und weniger Lebendigem gegenüber versagt der
bequeme Einstellungsapparat, all dies grobe Erkenntniswerkzeug
soll verschwinden. Es ist schon besser, alles Edle auf der Welt
zu vergessen, als dass es einem immer wieder den Weg zur Er-
kenntnis des Gegenwärtigen verbaut oder einen sinnlos in die Kreuz
und Quer führt, mit der Gefahr, selbst geadelt zu werden. Ausser-
dem: von Myron hat er nichts, von dessen scharfer Schwere, noch
von dem öligen Praxiteles. Auch keine Mischung. Er stammt
aus Magdeburg. Eher können wir ihn auf einen amerikanischen
Grundbegriff bringen. Er hat das Wiegen und Taumeln davon,
ein ewiges weiches schwankendes Hin und Her. In seinen Beinen
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nehmen. Grossmann ist immer sachlich und baldigst erhaben.
Taucht oft zu wenig ein in die Vorkommnisse.
Breitensträter wird gezwungen, das Nähere über seinenPersonen-
stand anzugeben. Kein Mensch macht Halt vor dieser prachtvollen
Vitalität. Nun weiss man, dass er aus Magdeburg ist und sagt:
Aus Magdeburg? Aber sehr lange in denWäldern in Westamerika.
Also „getouched“ vom Amerikanischen. Das war auch nicht anders
denkbar. Wie kommt sonst dieser Gleichmut, diese Kühle, diese
Susi von
Zimmermann
Ken6e Breiten- Gertrud
Sintenis sträter Sauermann
Berlin, Juni 1921
stilisierte Wurschtigkeit in diesen Bur-
schen hinein. Tn Deutschland denkt man
zudem noch immer bei Boxern oder
sonstigen Leibesübern: Was sind Sie
im Nebenberuf? Wie ist das Milieu?
Dieser hier ist abgeschliffen, abgespült
vom Leben im Freien, unter Fremden,
durch unalltägliche Ereignisse, die
durch Häufigkeit und Übung zu Alltäg-
lichem wurden. Er hat etwas durch-
gemacht, eine sehr wohltuende Schule,
um die wir ihn sofort beneiden, die
wir täglichen Ereignislosigkeiten aus-
gesetzt, das Gehirn als Ersatz bemühen.
Nichts europäisches, und doch nicht
Tagore. Wunder. Abereinangenehmes.
Er ist auch nicht griechisch. Nicht
die Spur. Kein Grieche aus Sachsen. Alles Erinnern unseres durch
klassisches Klischee vergifteten Gehirns muss zerstört werden. Fest-
gehaltene Bilder müssen Platz machen, damit ein neues Bild geprägt
wird. Aber wir übernehmen unbekümmert, wie vor uns schönheits-
trunkene Seher am Gymnasium griechische Vorbilder, nunmehr die
Vorbilder aus Gotik, Südsee, Ägypten. Ohne die geringste Skepsis,
ohne Leben wird die gangbare Vergangenheit nach Mustern abge-
sucht. Breitensträter und weniger Lebendigem gegenüber versagt der
bequeme Einstellungsapparat, all dies grobe Erkenntniswerkzeug
soll verschwinden. Es ist schon besser, alles Edle auf der Welt
zu vergessen, als dass es einem immer wieder den Weg zur Er-
kenntnis des Gegenwärtigen verbaut oder einen sinnlos in die Kreuz
und Quer führt, mit der Gefahr, selbst geadelt zu werden. Ausser-
dem: von Myron hat er nichts, von dessen scharfer Schwere, noch
von dem öligen Praxiteles. Auch keine Mischung. Er stammt
aus Magdeburg. Eher können wir ihn auf einen amerikanischen
Grundbegriff bringen. Er hat das Wiegen und Taumeln davon,
ein ewiges weiches schwankendes Hin und Her. In seinen Beinen
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