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Reiners, Heribert
Die Kunstdenkmäler Südbadens (Band 1): Das Münster Unserer Lieben Frau zu Konstanz — Konstanz: Thorbecke, 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.51169#0154

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Münster zu Konstanz


114. Das Kapitell der Südost-Säule der Krypta

ein selbständiges Ornament in stärkerer Betonung gleichmäßig von Blatt zu Blatt. Das
Westkapitell hat sich stärker vom Vorbild befreit als das andere und gibt vor allem in
dem Kranz der zwischen den Blättern angeordneten birnenförmigen Aussparungen ein
neues selbständiges Schmuckmotiv. Die um einen Grad stärkere Abhängigkeit von der
Antike zeigt sich beim Ostkapitell auch im Überfall des oberen Endes beim Hauptblatt,
eine letzte deutliche Erinnerung an die räumlich-plastische Formvorstellung der Antike.
Aus solcher völlig verschiedener Empfindung und Gestaltung erklärt sich auch die ver-
schiedene Schmuckform der Deckplatten. Bei dem einen Kapitell besteht sie aus einem
Eierstab, zeigt also wieder die Reihung und gleißmäßige Folge von Einzelgliedern, die
durch Rundung und Wölbung und ein Zwischenstück voneinander getrennt sind. Aber
die Glieder wirken eher wie Rechtecke mit abgerundeten Ecken. Sie sind zwar noch
etwas gewölbt, aber doch deutlich der Fläche genähert. Beim andern aber zeigt sie einen
in einheitlicher Bewegung ohne Unterbruch und Trennung fortlaufenden Strick.
Dieses letztere ist dem antiken Vorbild gegegenüber das selbständigere und durch
die Ausschaltung aller wesensfremden Stilelemente einheitlicher, nach unserm heutigen
Empfinden das künstlerisch höher stehende. Aber es ist ein Verkennen des Wesent-
lichen, wenn man die bei diesen Kapitellen vollzogene und in einem völlig andern Stil-
empfinden begründete Umsetzung der antiken Formen „entartet“ nennt. Es sind aber
für die verschiedenen Zierformen vermutlich zwei Meister anzunehmen, da es nicht
wahrscheinlich ist, daß derselbe Meister seine Formgesinnung bei zwei Arbeiten, die
sich unmittelbar folgten, so schnell geändert habe. Diese vier östlichen Kapitelle sind
aber in der frühmittelalterlichen Kunst doch nicht so völlig vereinzelt, wie Reisser meint.
Man glaubte zwar, daß die einzige stilistische Parallele die Werden-Helmstedter Gruppe
biete (Licht), ging aber dabei von einer falschen Datierung aus und setzte die Kon-

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