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Reiners, Heribert
Die Kunstdenkmäler Südbadens (Band 1): Das Münster Unserer Lieben Frau zu Konstanz — Konstanz: Thorbecke, 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.51169#0418

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Münster zu Konstanz

Baldachinen die Holzfiguren der hll. Konrad, 80 cm, und Pelagius, 75 cm h., in stein-
farbenem Anstrich, ursprünglich nicht für diese Stelle geschnitzt. Die Pelagiusfigur ganz
verwurmt, der rechte Unterschenkel und Fuß sind roh ergänzt, die vermorschte rechte
Hand verleimt (Abb. 348 u. 349). Im Zwickel der Stichbogennischen der Doppeltür als
Zutat des 17. Jh. ein Kopf mit Rollwerk und Früchtekranz.
Farbig zeigt die große Kehle blauen Grund, der Untergrund der Pilasterfüllungen, die
Astwerkranken des Stützbogens und seines ornamentalen Deckfrieses sind rot.
Aber so einheitlich sich der Schmuck der Empore darzubieten scheint, er ist das Werk
verschiedener Künstler. Unvermittelt steht neben der typischen späten Gotik die charak-
teristische nordische frühe Renaissance. Ihr Meister begegnet uns im Münster noch
ein zweites Mal, in dem brüstungsartigen oberen Abschluß der Westwand der Niko-
lauskapelle (Abb. 182).
Vor allem findet man ihn sodann wieder bei den Skulpturen der Seitenschiffe der
Kirche St. Johann in Schaffhausen, wobei sich alle hier und dort gegebenen Einzel-
formen und Motive in der Gliederung der Ranken und in den Kopftypen wiederholen,
so daß nicht der geringste Zweifel ist an der Identität der Künstler. Rott nimmt nun
an, daß es sich bei diesem Meister um den damals in Schaffhausen tätigen Bildhauer
Augustin Henckel handle, der ein Sohn des Bildhauers Hans Henckel war, der
aus Memmingen nach Konstanz kam und dort in der Werkstatt Simon Haiders am
Chorgestühl des Münsters mitarbeitete. (H. Rott, Schaffhauser Maler, Bildhauer und
Glasmaler des 15. Jahrhunderts, in: Oberrhein. Kunst I [1925/26], S. 203ff.) So
bestechend diese These ist, sie ist nicht hinreichend gestützt, um voll zu überzeugen.
Ein solches unvermitteltes Nebeneinander rein spätgotischer Formen mit Formen der
frühen Renaissance wie hier an der Empore findet man zu Beginn des 16. Jh. in allen
Zweigen der deutschen Kunst, vor allem in Schwaben, ebenso am Ober- und Mittel-
rhein in zahlreichen Beispielen. Aber nur in wenigen Fällen sind die verschiedenen
Stilformen so eng miteinander verschmolzen wie an dieser Empore. Das in einheit-
licher Bewegung fortlaufende Maßwerk der Brüstung ist im Grund aus dem gleichen
Wollen erwachsen, nur etwas klarer in der Erscheinung und beruhigter in der mehr
geschlossenen Form wie der Hängefries und wiederholt sich sodann in gleicher Grund-
form in der Puttenranke der Bogenfüllung, bei der man sogar beim ersten Blick
schwanken könnte, ob sie nicht ein spätgotisches Erzeugnis darstelle.


350 und 351. Zwei Medaillons an den Hängekonsolen der Orgelempore

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