Der Triumph des Todes im Campo Santo zu Pisa.
Von Eduard Dobbert.
Es gehört zu den fesselndsten Aufgaben historischer Forschung,
die ersten Keime einer später zur Blüthe gelangenden Culturerscheinung
aufzusuchen und dann zu verfolgen, wie diese Keime allmählich wach-
sen und erstarken, bis schliesslich der Baum mit seiner weithin schat-
tenden Blätterkrone in ganzer Pracht dasteht.
Als ein solcher kräftiger Baum erscheint uns die italienische Cultur
und als schönste Blüthe derselben die italienische Kunst im Renaissance-
Zeitalter, im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert. Die Keime
dieser Entwickelung kommen unter den allmählich dürr gewordenen und
zu Boden gefallenen Blättern mittelalterlichen Wesens bereits in den
vorhergegangenen Jahrhunderten zum Vorschein!
Versetzen wir uns in diejenige Stadt Italiens, in welcher solche,
auf die Renaissance-Kunst vorbereitende Erscheinungen besonders ein-
dringlich zu uns reden! Wir stehen auf dem weiten Platze am nord-
westlichen Ende Pisa’s. Der Dom mit dem berühmten schiefen Thurm
dahinter; das Baptisterium, dem Dome gegenüber: wie laut reden diese
stolzen Bauwerke zu uns von der einstigen Grösse Pisa’s, da dasselbe
mit seiner Flotte das Mittelmeer beherrschte und nun auch in gross-
artigen Bauwerken nach einer künstlerischen Ausprägung seiner Macht
strebte!
An den genannten drei Bauten macht sich ein Kunstelement
geltend, das bereits deutlich auf die Renaissance hinstrebt, obgleich wir
uns erst im elften und zwölften Jahrhundert befinden. Die üppige
Umkleidung des Aeusseren jener Gebäude mit antikisirenden Säulen
und Halbsäulen zeigt bereits einen Keim jener Begeisterung für antike
Bauformen, welche später der Renaissance-Architektur ein so eigen-
thümliches Gepräge gab. Eines der Gebäude birgt aber auch dasjenige
IV 1
Von Eduard Dobbert.
Es gehört zu den fesselndsten Aufgaben historischer Forschung,
die ersten Keime einer später zur Blüthe gelangenden Culturerscheinung
aufzusuchen und dann zu verfolgen, wie diese Keime allmählich wach-
sen und erstarken, bis schliesslich der Baum mit seiner weithin schat-
tenden Blätterkrone in ganzer Pracht dasteht.
Als ein solcher kräftiger Baum erscheint uns die italienische Cultur
und als schönste Blüthe derselben die italienische Kunst im Renaissance-
Zeitalter, im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert. Die Keime
dieser Entwickelung kommen unter den allmählich dürr gewordenen und
zu Boden gefallenen Blättern mittelalterlichen Wesens bereits in den
vorhergegangenen Jahrhunderten zum Vorschein!
Versetzen wir uns in diejenige Stadt Italiens, in welcher solche,
auf die Renaissance-Kunst vorbereitende Erscheinungen besonders ein-
dringlich zu uns reden! Wir stehen auf dem weiten Platze am nord-
westlichen Ende Pisa’s. Der Dom mit dem berühmten schiefen Thurm
dahinter; das Baptisterium, dem Dome gegenüber: wie laut reden diese
stolzen Bauwerke zu uns von der einstigen Grösse Pisa’s, da dasselbe
mit seiner Flotte das Mittelmeer beherrschte und nun auch in gross-
artigen Bauwerken nach einer künstlerischen Ausprägung seiner Macht
strebte!
An den genannten drei Bauten macht sich ein Kunstelement
geltend, das bereits deutlich auf die Renaissance hinstrebt, obgleich wir
uns erst im elften und zwölften Jahrhundert befinden. Die üppige
Umkleidung des Aeusseren jener Gebäude mit antikisirenden Säulen
und Halbsäulen zeigt bereits einen Keim jener Begeisterung für antike
Bauformen, welche später der Renaissance-Architektur ein so eigen-
thümliches Gepräge gab. Eines der Gebäude birgt aber auch dasjenige
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