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Repertorium für Kunstwissenschaft — 4.1881

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Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen, über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde
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https://doi.org/10.11588/diglit.62025#0278

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Berichte und Mittlieilungen aus Sammlungen und Museen,
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen,
neue Funde.
Zweite Gruppe der kunsthistorischen Sammlungen des Oesterr. Kaiserhauses,
Abtheilung für Gegenstände des Mittelalters, der Renaissance und der
Neuzeit.
In jüngster Zeit erfuhr diese Abtheilung ausserordentliche Vermehrungen.
Mehrere hundert Stück grösstentheils auserlesener Werke der Kunst und Indu-
strie wurden derselben aus dem anderweitigen kaiserlichen Besitz zugeführt,
darunter einige Meisterschöpfungen der Renaissance. Die erste Stelle nimmt
ein Relief der Madonna mit dem Kinde ein, aus Marmor mit Vergoldungen,
eine Gomposition von höchstem Adel der Auffassung, einfach und grossartig
zugleich in der stillen, jungfräulichen Würde der Erscheinung. Die an Dona-
tello erinnernde Herbigkeit derartiger Meisterwerke ist hier einem hohen Reize
milder Anmuth gewichen, die Formen des Kindleins sind von grosser Weich-
heit, der genrehafte Zug seines Spiels mit einem Vogel überaus lebendig und
lieblich. Soweit die bisherigen Untersuchungen reichen, dürfte das Werk
Mino da Fiesoie, Rossellino oder einem nächststehenden Quatrocentisten zu-
zuschreiben sein, — ohne Widerrede ist es das vorzüglichste plastische Kunst-
werk im kaiserlichen Besitze.
Ein anderes, interessantes Object ist eine äusserst sorgfältig ausgeführte
Plattstichstickerei, bei 5Z lang und P/2' hoch, eine genaue Gopie der berühm-
ten Kreuzigung, welche Tintoretto in der Scuola di San Rocco zu Venedig
gemalt hat. Die Halbfigur des Künstlers ist in der Ecke in betender Stellung
angebracht und eine lateinische Inschrift belehrt uns, dass dieses Werk von
den Töchtern des Meisters gestickt sei. Die Kunstgeschichte gewinnt dadurch
einen ganz neuen Beitrag: erstens, dass Tintoretto mehrere Töchter hatte,
zweitens, dass dieselben Stickerinnen gewesen sind. Die bekannte, schöne
Maria, von welcher uns bisherige Quellen melden, kann indess nicht darunter
verstanden sein, da die Stickerei erst 1609, also nach ihrem Tode entstan-
den ist.
Unter den Prachtmöbeln nimmt die erste Stelle ein überaus kostbar mit
 
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