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Repertorium für Kunstwissenschaft — 4.1881

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Springer, Anton: Raphael's Jugendentwicklung und die neue Raphaellitteratur
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https://doi.org/10.11588/diglit.62025#0461

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Raphael’s Jugendentwicklung und die neue Raphaellitteratur.

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Oberitalien zu einer gewissen Zeit (1540 — 1560) die Parmeggianinische
Eleganz durch dessen Kupferstiche zur Mode geworden und selbst so
ganz verschieden geartete Künstler wie z. B. Andrea Schiavone,
Giacomo Bassano, Domenico Alfani, Luca Longhi, Defendente Ferrari
und andere mehr suchten dieselbe nachzuahmen« (S. 139). In den
Bildern des Ercole Roberti, »von dem wir kein authentisch beglaubigtes
Werk besitzen«, tritt uns nicht nur der Einfluss des Andrea Mantegna,
sondern auch des Giambellino entgegen (S. 130) und vollends Jacopo
de’ Barbari erscheint als ein wahres mixtum compositum, von den
mannigfachsten Künstlern, von dem Bildhauer Tullio Lombardi, von
G. Bellini, Antonello da Messina und endlich von der Nürnberger
Schule abhängig (S. 175—177).
Aehnlich verhält es sich mit den von Lermolieff verachteten tech-
nischen Beweismitteln. »Ich habe meine jungen Freunde zu warnen, die
Bestimmung und Bezeichnung eines Kunstwerkes blos vom Gesammt-
eindruck oder von der Mache, die man in demselben zu erkennen glaubt,
abhängen zu lassen« (S. 222). Als wahrhaft kunstverständiger Mann
erkennt aber Lermolieff dennoch aus der »Mache«, dass die Madonna
Palma’s in Paris nicht im Jahre 1500 gemalt sein könne (S. 25); er
beweist aus der »Mache«, dass Tizian’s sonst giorgionisch gedachter
Amor sacro-profano ein Jahrzehnt später, als Crowe und Cavalcaselle
annehmen, geschaffen wurde (S. 26), und entdeckt in der »Technik«
Pinturicchio’s die deutlichen Spuren der Schule, aus welcher der Künstler
stammt (S. 245). An einer andern Stelle belehrt uns Lermolieff, dass
der Gesammteindruck, der Typus der Gestalten, die verschiedene Har-
monie der Farben, der Charakter der Landschaft die Bilder Cariani’s
von jenen Bonifacio’s für jedes Auge deutlich trennen (S. 223) und
hebt die Bedeutung; welche der violette Localton für die früheren Werke
Tizian’s (S. 41), die spitzen scharfen Lichter für eine gewisse Periode
Palma’s (S. 30) besitzen, hervor. Lermolieff steht offenbar in keinem
principiellen Gegensätze zu den von ihm als Ignoranten arg verspotteten
Crowe und Cavalcaselle. Er sieht nur die Bilder mit anderen Augen
an, er sieht scharf, oft schärfer als seine Gegner und ist auch auf
Kleinigkeiten aufmerksam, welche von anderen Kunstkennern über-
gangen werden. Die Resultate seiner Bilderkritik sind zuweilen über-
raschend neu 6) und stets anregend. Bei aller Achtung für den Ver-
6) Einzelne Entdeckungen waren übrigens doch schon früher bekannt. So
wird z. B. Correggio’s Magdalena bereits in Bädeker’s Norddeutschland (19. Aufl.
S. 247) als Copie erklärt, ebenso ist auf die Wandlung der Madonnenmalerei durch
Raphael (bei Lermolieff [S. 374] durchschossen gedruckt) in der deutschen Fach-
litteratur bereits vorher hingewiesen worden. Dass die Magdalenen des 17. Jahr-
 
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