Das Eindringen der französischen Gothik in die deutsche Sculptur. 419
ohne Vorwegnahme des dorthin gehörigen Inhaltes erlaubt schien. Es
wurde betont, dass in Naumburg der Statuenschmuck des Westchores den
engsten Zusammenhang mit der Architektur aufweise, die ihrerseits in
reiner französischer Gothik gehalten ist, d. h. also ein Ganzes bilde
dessen Entstehung unter Bischof Dietrich II. zwischen 1249 und 1272, rund
1250—70 unumstösslich gesichert bleibt, und zwar durch die Bündigkeit der
Statuen mit den Pfeilern , durch den Charakter der Inschrift am Lettner, wie
durch Urkunden und persönliche Beziehungen der dargestellten Personen
zum Auftraggeber aus dem Hause Wettin. Um so beachtenswerther ist
die Freiheit und statuarische Selbständigkeit der Standbilder, in denen das
beste Erbtheil der romanischen Kunst, die Wucht und Werthbedeutung des
Leibes selber, noch die unveräusserliche Grundlage bildet.
„In Bamberg dagegen ist ein nothwendiger Zusammenhang zwischen
den Statuen und den Bautheilen, wo sie angebracht sind, ebenso wenig mehr
vorhanden, wie zwischen dem Dargestellten insgesamt, das ganze Ver-
hältniss zum Bauwerk also ein anderes als in Naumburg. — Mit Ausnahme
der Chorschranken, des ältern und kleinern Ostportales und der dem Meister
des Georgenthors gehörenden Propheten und Apostel zur Linken des Nord-
portales, mit denen die Arbeit dieser älteren Werkstatt abbricht. Die
Statuen des grösseren, ursprünglich nur von Zickzackstreifen umrahmten
Ostportals neben dem Chorhaupt, jene immer zum Vergleich herangezogenen
Gestalten von Adam und Eva, Petrus und Stephanus. Heinrich und Kuni-
gunde, sind nachträglicher Zusatz, dessen Baldachinreihe zu der alten
Umrahmung überall in Widerspruch steht“ u. s. w. Grade hier müssen
also die Statuen selber durch das Bildungsgesetz, das in ihnen waltet,
für den Stil zeugen, dem sie angehören, und durch ihre Proportionen auf
den Massstab zurückweisen, der den Bildhauern mit der Bauhütte gemeinsam
war, in der sie diesen Stil erlernt hatten.
„Die vorläufige Voraussetzung ungefähr gleichzeitigen Ur-
sprungs an beiden Orten (Naumburg und Bamberg) würde schon viel
von den historischen Kombinationen, die eine Betrachtung der
Werke nacheinander in der einen oder anderen Reihenfolge so leicht an-
zettelt, wieder auftrennen. Damit soll keineswegs die Entfernung der
beiden Orte von einander als Hinderniss hervorgehoben werden. Im
Gegentheil, es muss vorerst auf eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen
Bamberg und einem noch entlegeneren Orte hingewiesen werden, wo
man die Spuren gleicher Schulgewohnheit unter den Bildhauern noch
nicht beachtet hat, obgleich die Uebereinstimmung im Wesentlichen viel
nur bei Wilhelm v. Hamburg meine Anweisung ausgeschlossen, leider zum Nach-
theil einer der schönsten Figuren. Erst beim zweiten Anlauf konnten die un-
günstigen Verhältnisse in Bamberg überwunden werden. Aber die Aufnahmen
lagen fertig vor, der Auftrag für Magdeburg war gegeben, der Fortgang schien
also ganz gesichert, — als der künstlerisch begabte Mitarbeiter von seinem Schick-
sal ereilt ward,
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ohne Vorwegnahme des dorthin gehörigen Inhaltes erlaubt schien. Es
wurde betont, dass in Naumburg der Statuenschmuck des Westchores den
engsten Zusammenhang mit der Architektur aufweise, die ihrerseits in
reiner französischer Gothik gehalten ist, d. h. also ein Ganzes bilde
dessen Entstehung unter Bischof Dietrich II. zwischen 1249 und 1272, rund
1250—70 unumstösslich gesichert bleibt, und zwar durch die Bündigkeit der
Statuen mit den Pfeilern , durch den Charakter der Inschrift am Lettner, wie
durch Urkunden und persönliche Beziehungen der dargestellten Personen
zum Auftraggeber aus dem Hause Wettin. Um so beachtenswerther ist
die Freiheit und statuarische Selbständigkeit der Standbilder, in denen das
beste Erbtheil der romanischen Kunst, die Wucht und Werthbedeutung des
Leibes selber, noch die unveräusserliche Grundlage bildet.
„In Bamberg dagegen ist ein nothwendiger Zusammenhang zwischen
den Statuen und den Bautheilen, wo sie angebracht sind, ebenso wenig mehr
vorhanden, wie zwischen dem Dargestellten insgesamt, das ganze Ver-
hältniss zum Bauwerk also ein anderes als in Naumburg. — Mit Ausnahme
der Chorschranken, des ältern und kleinern Ostportales und der dem Meister
des Georgenthors gehörenden Propheten und Apostel zur Linken des Nord-
portales, mit denen die Arbeit dieser älteren Werkstatt abbricht. Die
Statuen des grösseren, ursprünglich nur von Zickzackstreifen umrahmten
Ostportals neben dem Chorhaupt, jene immer zum Vergleich herangezogenen
Gestalten von Adam und Eva, Petrus und Stephanus. Heinrich und Kuni-
gunde, sind nachträglicher Zusatz, dessen Baldachinreihe zu der alten
Umrahmung überall in Widerspruch steht“ u. s. w. Grade hier müssen
also die Statuen selber durch das Bildungsgesetz, das in ihnen waltet,
für den Stil zeugen, dem sie angehören, und durch ihre Proportionen auf
den Massstab zurückweisen, der den Bildhauern mit der Bauhütte gemeinsam
war, in der sie diesen Stil erlernt hatten.
„Die vorläufige Voraussetzung ungefähr gleichzeitigen Ur-
sprungs an beiden Orten (Naumburg und Bamberg) würde schon viel
von den historischen Kombinationen, die eine Betrachtung der
Werke nacheinander in der einen oder anderen Reihenfolge so leicht an-
zettelt, wieder auftrennen. Damit soll keineswegs die Entfernung der
beiden Orte von einander als Hinderniss hervorgehoben werden. Im
Gegentheil, es muss vorerst auf eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen
Bamberg und einem noch entlegeneren Orte hingewiesen werden, wo
man die Spuren gleicher Schulgewohnheit unter den Bildhauern noch
nicht beachtet hat, obgleich die Uebereinstimmung im Wesentlichen viel
nur bei Wilhelm v. Hamburg meine Anweisung ausgeschlossen, leider zum Nach-
theil einer der schönsten Figuren. Erst beim zweiten Anlauf konnten die un-
günstigen Verhältnisse in Bamberg überwunden werden. Aber die Aufnahmen
lagen fertig vor, der Auftrag für Magdeburg war gegeben, der Fortgang schien
also ganz gesichert, — als der künstlerisch begabte Mitarbeiter von seinem Schick-
sal ereilt ward,
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