Litteraturbericht.
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nicht nur die Reproductionen sondern auch die Litteratur mit Angabe der
Zuschreibungen der einzelnen Verfasser möglichst vollständig angegeben.
Den Schluss aber bildet jedesmal die selbständige Urtheilsabgabe des
Verfassers.
Es ist unleugbar, dass infolge der Bemühungen Morelli’s und letzthin
Dollmayr’s die Kritik der Raphael zugeschriebenen Zeichnungen wesentliche
Fortschritte gemacht hat. Wenn F. sehr energisch in seinen Zuschreibungen
vorgegangen ist, so kann dass nur gebilligt werden. Die Folgezeit wird
schon die nöthigen Correcturen im Einzelfall eintreten lassen, -letzt stellt
sich das Ergebniss so dar, dass von den 580 aufgeführten Zeichnungen nur
106 Raphael selbst belassen werden: 9 entfallen auf Perugino, 21 auf
Pinturicchio, 4 auf Timoteo Viti; von den Gehilfen Raphael’s sind Penni
mit 53, Giulio Romano mit 19, Perin del Vaga mit 3 vertreten: weiterhin
Peruzzi mit 27, Sodoma mit 10, Sebastiano del Piombo mit, 4, die Schule
Andrea del Sarto’s mit 8, andere Künstler mit 6. Der Rest von 310
Blättern entfällt auf Copisten, Fälscher, Nachahmer u. s. w.
Das Bild des Meisters gewinnt dadurch an Klarheit und Bedeutung.
Fische! fasst die Charakterisirung der frühen Zeichenweise Raphael’s in
die Worte zusammen: „Aus der breit aufgesetzten Feder, dem kräftig
geführten Silberstift scheinen seine Contouren mühelos geflossen, und mit
ihrem weichen und zugleich kraftvollen Schwellen genügen sie fast allein,
seinen Gestalten Rundung und Form zu geben. Die Schattenlagen fehlen
in den Fleischpartien oft ganz, ohne dass man sie vermisste, und unent-
behrlich sind sie ihm nur zur Disponirung der Gewandmassen; ihre regel-
mässigen Abstände stehen jedesmal in einem wohlthuend fühlbaren Verhalt-
niss zur Länge der Striche.“ Und weiterhin heisst es von einem be-
stimmten Blatte: „Die ganze Zeichnung ist nur mit einer Strichlage
schattirt, in einer Hauptrichtung liegen alle diese Federzüge, gleichmässig
setzen sie in einem Winkel von 45 Grad an, gegen das Ende heben sie
sich in ganz leichtem Bogen und mit einem offenen Häkchen springt die
Feder zum Anfang des nächsten Strichs über.“
Diese Charakteristik passt durchaus zu Blättern, wie der thronenden
Madonna mit dem Mönch im Städel’schen Institut, dem Traume des Ritters
in der Londoner National-Gallery, der Verkündigung in Louvre, der An-
betung der Könige in Stockholm, der kleinen Madonnenstudie mit dem
Buch in Oxford u. s. w.- Perugino’s trockene, gleichmässige Zeichen-
manier sticht davon sehr deutlich ab. Pinturicchio’s Art, die mindestens
eben so stark auf den jungen Raphael eingewirkt hat, wie diejenige
Perugino’s, kommt ihm freilich schon viel näher: aber wenn man sich die
Merkmale vergegenwärtigt, die solchen Blättern wie den Studien zu den
Sieneser Fresken, der Mehrzahl der Darstellungen im Venezianischen
Skizzenbuch, der Madonna im Städel’schen Institut, dem h. Nikolaus von
Tolentino in Lille, der Anbetung der Hirten in Oxford, der Madonna mit
dem Buche in Paris (Salle des Boites) endlich der schönen Madonna mit
Sebastian und Rochus in der ehemaligen Sammlung Timbal eigen sind,
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nicht nur die Reproductionen sondern auch die Litteratur mit Angabe der
Zuschreibungen der einzelnen Verfasser möglichst vollständig angegeben.
Den Schluss aber bildet jedesmal die selbständige Urtheilsabgabe des
Verfassers.
Es ist unleugbar, dass infolge der Bemühungen Morelli’s und letzthin
Dollmayr’s die Kritik der Raphael zugeschriebenen Zeichnungen wesentliche
Fortschritte gemacht hat. Wenn F. sehr energisch in seinen Zuschreibungen
vorgegangen ist, so kann dass nur gebilligt werden. Die Folgezeit wird
schon die nöthigen Correcturen im Einzelfall eintreten lassen, -letzt stellt
sich das Ergebniss so dar, dass von den 580 aufgeführten Zeichnungen nur
106 Raphael selbst belassen werden: 9 entfallen auf Perugino, 21 auf
Pinturicchio, 4 auf Timoteo Viti; von den Gehilfen Raphael’s sind Penni
mit 53, Giulio Romano mit 19, Perin del Vaga mit 3 vertreten: weiterhin
Peruzzi mit 27, Sodoma mit 10, Sebastiano del Piombo mit, 4, die Schule
Andrea del Sarto’s mit 8, andere Künstler mit 6. Der Rest von 310
Blättern entfällt auf Copisten, Fälscher, Nachahmer u. s. w.
Das Bild des Meisters gewinnt dadurch an Klarheit und Bedeutung.
Fische! fasst die Charakterisirung der frühen Zeichenweise Raphael’s in
die Worte zusammen: „Aus der breit aufgesetzten Feder, dem kräftig
geführten Silberstift scheinen seine Contouren mühelos geflossen, und mit
ihrem weichen und zugleich kraftvollen Schwellen genügen sie fast allein,
seinen Gestalten Rundung und Form zu geben. Die Schattenlagen fehlen
in den Fleischpartien oft ganz, ohne dass man sie vermisste, und unent-
behrlich sind sie ihm nur zur Disponirung der Gewandmassen; ihre regel-
mässigen Abstände stehen jedesmal in einem wohlthuend fühlbaren Verhalt-
niss zur Länge der Striche.“ Und weiterhin heisst es von einem be-
stimmten Blatte: „Die ganze Zeichnung ist nur mit einer Strichlage
schattirt, in einer Hauptrichtung liegen alle diese Federzüge, gleichmässig
setzen sie in einem Winkel von 45 Grad an, gegen das Ende heben sie
sich in ganz leichtem Bogen und mit einem offenen Häkchen springt die
Feder zum Anfang des nächsten Strichs über.“
Diese Charakteristik passt durchaus zu Blättern, wie der thronenden
Madonna mit dem Mönch im Städel’schen Institut, dem Traume des Ritters
in der Londoner National-Gallery, der Verkündigung in Louvre, der An-
betung der Könige in Stockholm, der kleinen Madonnenstudie mit dem
Buch in Oxford u. s. w.- Perugino’s trockene, gleichmässige Zeichen-
manier sticht davon sehr deutlich ab. Pinturicchio’s Art, die mindestens
eben so stark auf den jungen Raphael eingewirkt hat, wie diejenige
Perugino’s, kommt ihm freilich schon viel näher: aber wenn man sich die
Merkmale vergegenwärtigt, die solchen Blättern wie den Studien zu den
Sieneser Fresken, der Mehrzahl der Darstellungen im Venezianischen
Skizzenbuch, der Madonna im Städel’schen Institut, dem h. Nikolaus von
Tolentino in Lille, der Anbetung der Hirten in Oxford, der Madonna mit
dem Buche in Paris (Salle des Boites) endlich der schönen Madonna mit
Sebastian und Rochus in der ehemaligen Sammlung Timbal eigen sind,