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Repertorium für Kunstwissenschaft — 25.1902

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Jacobsen, Emil: Italienische Gemälde im Louvre, [2]: kritische Notizen zu den im neuesten Katalog angeführten Bildern, sowie zu den vielen neuen Erwerbungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.61695#0299

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Italienische Gemälde im Louvre.

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1504 datirt werden muss, sich befindet. Diese Figur dreht den Arm mit der
zeigenden Hand nach links, statt, wie im Louvrebild, nach rechts (von dem
Beschauer aus). Da diese mit Flügeln versehene Gestalt aber keinen Jo-
hannes, sondern einen Engel darstellt, scheint es mir doch natür-
licher, anzunehmen, dass sie auch auf einen Engel, wohl einen Verkün-
digungsengel zurückgeht, der später in einen J.ohannes umgeändert
wurde. Von dieser Umänderung liegen freilich zwei Variationen vor,
eine, die die Armstellung der Zeichnung beibehält und von der ein
Exemplar (wohl alte Copie) in einem Gemälde bei Mr. Waters in London,
eine andere mit der Armstellung des Louvrebildes, von welchem wieder
zwei Variationen, eine in der Ambrosiana, eine andere bei Mr. H. W.
Haweburn in London sich befinden.* 66) Bei Vasari finden wir nun Fol-
gendes: „Questa (ein Medusakopf) e fra le cose excellenti nel palazzo
del duca Cosimo, insieme con una testa d’uno angelo, ehe alza un braccio
in aria, ehe scorta dalla spalla al gomito venendo innanzi, e l’altro ne
va al petto con una mano.“ Ed. Milanesi IV pg. 26. Scheint es nach
dieser Beschreibung, die auf unsere Figur sehr gut passt, nicht höchst
wahrscheinlich, dass unser Johannes ein umgebildeter Engel und jener
Engel das wohl jetzt verschollene Original Lionardo's ist. Auch dürfte das
Bild bei Mr. Waters in London dasjenige Exemplar sein, welches der
originalen Composition am nächsten kommt, denn dieser Giovannino hat
ganz die Stellung eines verkündigenden Engels und er stimmt ganz ge-
nau, ja buchstäblich mit der Beschreibung Vasari’s. Unser Giovannino im
Louvre muss also ebenso wie dieser ein umgebildeter Verkündi-
gungsengel sein.67) Wenn es nun auch festgestellt ist, dass im Anfang des
XVI. Jahrhunderts mehrere Versionen von einem Giovannino in lionardeskem
Stil entstanden sind, die beim Publicum sehr viel Glück gehabt haben, so
ist damit noch nicht bewiesen, ja, es ist nicht einmal wahrscheinlich, dass
Lionardo selbst der Schöpfer des Originals dieser Darstellungen ist und
auch nicht, dass das Louvrebild dies Original ist. Der Ausdruck des
Kopfes kann als eine bis zum Extrem geführte weitere Entwicklung des-
jenigen gelten, welchen wir bei der Mona Lisa oder bei der hl. Anna kennen.
Dort erscheint er jedoch theils dem Charakter, theils der Situation ange-
messen. Das süsse Lächeln, ebenso wie die weiblich schwellenden Körper-
formen, welche bei einem Verkündigungsengel ganz an ihrem Platze sind,
können bei dem angehenden Asketen dagegen leicht befremden und als nicht
passend befunden werden. Wohl müssen wir hier erinnern, dass die Künstler
56) Auf der New Gallery Ausstellung 1893 wurde von Mr. W. B. Havatson
ein ganz ähnliches Bild ausgestellt. Oder war es vielleicht dasselbe Bild?
67) Die Bemerkung bei dem Anonimo des Magliabechiano „Dipinse anchora
un San Giouannj“ bezieht sich kaum auf unser Bild, sondern nach aller Wahr-
scheinlichkeit auf das Vorbild zu dem bald zu erwähnenden Bacchus Nr. 463. —
Eine Reproduction von dem Bilde bei Mr. Waters, sowie von der Schülerzeichnung
befinden sich im Aufsatz Müller-Walde’s. Jahrbuch der K. preuss. Kunstsamm-
lungen. 1898.
Repertorium für Kunstwissenschaft, XXV. i q
 
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