Die Geistigen und die Politik.
auf der das ungeheure Kreuz leuchtete. Das Leben
schien mir, obgleich ich ein Kind war, obgleich meine
Iugend ganz übersprübt war von Fröblichkeit: das
religiöse Leben schien mir ein Requiem. Jch war nicht
Leid, ich war nicht Schreck: meine Seele saß, indes
der Mund schaurig sang, vorn unter den Engeln des
Tabernakels, unter den Engeln des Marienaltares und
musizierte dem Myfierium ein Mleluja. Meine Seele
kannte überhaupt nur das Mleluja! Meine Scele, die
Freude war, sang den Schmerz.
Vielmals aber babe ich dann im Leben erfahren
müssen, daß das Kreuz damals schon in meiner Seele
gestanden! Wie, wenn es größer weroen sollte, wenn
es ungebeuerlich in mir sich auswachsen wollte, da ich
an die Menschen glaube und sie liebe? Mein bester
Talisman sind ein paar Worte Iesu: Wenn chr nicht
werdet wie die Kinder. . . Mein Rezept des Friedens
ist meine Freude an der Einfachheit, an der Natur, an
der- Liebe. Mein tempelloses Evangelium: erlösen,
erlösi! Immer neu muß sich dies in mir gebaren durch
die Tat!
Aber vielleicht wäre es gut für euch, wenn mich
das Leid unter seine Räder legte: vielleicht könnte ich
euch alsdann besser zur Freude führen! Wahrlich, ich
wollte es gern auf meine Schulter nehmen, dies Kreuz!
Bruder sagen dürfen zu den Männern, Schwester
zu den Frauen: ach, obglcich ein Mönch in mir rumort,
will ich als Sohn der Frau Welt Bruder sagen dürfen
zu den Männern, Schwester zu den Frauen!
ie Geistigen und die Politik.
Von den Geistigen zu sprechen ist nur berechtigt,
wenn man den Ausdruck scharf abgrenzt und in einem
sachlich genau bestrmmten Sinne verwendet. Das ist
um so notwendiger, als der Ausdruck seit etlicher Aeit
zu einem Modewort geworden ist, das trotz seiner Ver-
schwommenheit einen sehr erklusiven Sinn hat, da es
hauptsächlich von denen gebraucht wird, die sich selber
dazu rechnen. Die unausbleibliche Folge davon war,
daß unter der vielfältigen Jnanspruchnahme das Wort
allmählich so breitgeschlagen wurde,daß man heuteimge-
meinen Gebrauch unter den Geistigen gewisse Berufe wie
Gelehrte, Künstler, Rechtsanwalte, Ärzte, Schriftsteller,
Redakteure usw. zusammenfaßt im Gegensatz zu den
Handarbeitern. Diese Abgrenzung ist so weit und so
außerüch, daß sie in einem strengeren Sinne, auf den es
uns hier ankommt, Geistige und Ungeistige umfaßt,
denn diese sogenannten geistigen Arbeiter haben es,
soweit ihre berufliche Leistung in Frage steht, ebenso wie
die Handarbeiter nur mit praktischen Dingen und Auf-
gaben zu tun. Um Geistiges handelt es sich dabei nicht.
Aber auch in dem bestimmteren Sinne dor „Jntellek-
tuellen" ist der Ausdruck noch unbrauchbar, weil er
immer noch eine innere Unklarheit einschließt. Denn
die Geistigen, denen nach dem Programm der Aktivisten
der Geist bloß „Mittel" ist, die als eine Partei die Macht
erstreben, um „das Paradies auf Erden zu verwirk-
lichen" und dadurch den Geist überflüssig zu machen;
die glauben, daß wir vom Geist genug haben und daß es
an der Aeit sei, endlich einmal damit „Ernst" zu machen,
treiben in Wahrheit Verrat am Geiste. Es gehört nicht
zum Wesen des Geistes, wie die Akkivisten behaupten,
daß er weltabgewandt bei „Welt-Emsicht" und „Welt-
Wiederholung" stehen blcibe und in bloßer Kontemplation
sich selber genüge; das heißt Geist mit Literatur ver-
wechseln, denn allerdings gilt dieser Vorwurf für den
Asthetizismus der Jntellektuellen. Der Aktivismus ist
nichts anderes als dre llterarische Flucht vor der Lrteratur,
Verleugnung des Areles, doch Wertergehen auf den alten
Wegen. Wwklicher Geist war aber auch schon vor den
Aktivisten zum Leben und zur Welt hingewandt, wenn
auch sein Verhältnis zu ihr ein komplizierteres und vor-
sichtigeres war als das des politischen Programmes.
Die aktivistische Gleichsetzung von Gcist und Politik ist
allzu einfach: die Geistigen können nicht als solche
politisch werden, sondern können höchstens aus dem
Bereich des Geistes in das der Politik übertreten.
Als Geistige dürfen nur diejenigen gelten, deren
Tätigkeit, überhaupt deren Blickfeld, mcht auf dre Dinge
des praktischen Lebens beschränkt bleibt. Die Abgrenzung
zivischen Geistigen und Ungeistigen hat nur in diesem
Sinne überhaupt einen Sinn, daß die Grenze nicht
vertikal zwischen den Berufsklassen, sondern horizontal,
nütten durch sie hindurch, verläuft. Geistige kann es in
jedem Berufe geben und sie sind in jedem Berufe die-
jenigen, die sich nicht genug sein lassen mit dem Erfolg
ihrer Arbeit in dcr Welt des Sichtbaren, Nutzbaren,
Genießbaren usw., mit allem, was unter diesseitig-
endüche Maßstäbe fällt; alles das erhält für ste seinen
Wert erst durch den Sinn, der über dem Einzelnen steht
und das Einzelne in sich aufnimmt. Die Geistigen gehen
aufs Ganze und Letzte und lehnen daher jede Be-
schränkung auf die isolierten und begrenzten Gegenstande
ab, die nur Träger dos Sinnes sein können. Das bedeutet
phllosophisch ausgedrückt den Grundsatz der „Autonomie
des Geistes", worunter aber nicht der Herren eigner
Geist zu verstehen ist, sondern ein über allen Einzelnen
Stehendes, Überpersönliches, Objektives.
Wenn man vom Geiste einer Aeit spricht, so müßte
man streng genommen das melnen, was dle Gelstlgen
dleser Aett beschäftigt. Während der Geist des Mittel-
alters einen geschlossenen Weltplan besaß, der dem
ganzen Volke gemeinsamer Bezugspunkt war, in den
alle Einzelhetten und Ereignisse des Lebens eingeordnet
waren, so dap sie in ihrer Bezogenheit auf diese einheit-
liche Spitze einen einheitlichen Sinn erhielten und sich
darin ihrem Werte nach in eine Rangordnung ein-
gliederten, fehtt dem Geiste unserer Aett dieser Abschluß,
so daß es gerade seine Aufgabe wird, ihn zu suchen,
und daß sein Suchen nach dem Letzten erst im Unend-
lichen sein Ende findet. Der Geist unserer Aeit ist daher
seinem Wesen nach phllosophisch, immer suchend und nie
befriedigt, während der Geist des Mittelalters religiös
war. Die Geistigen unserer Aeit sind individualistisch
isoliert, während die Geistigen des Mittelalters in einer
alle umfassenden Gemeinschaft standen. Der Geist
unserer Aeit ist inhaltleer und äußert sich in einer
bestimmten methodischen Haltung, während der Geist
des Mittelalters einen festen und inhaltlich bestimmten
Glaubensgrund hatte.
Die Bahn des Geistes unserer Aeit liegt zwischen
146
auf der das ungeheure Kreuz leuchtete. Das Leben
schien mir, obgleich ich ein Kind war, obgleich meine
Iugend ganz übersprübt war von Fröblichkeit: das
religiöse Leben schien mir ein Requiem. Jch war nicht
Leid, ich war nicht Schreck: meine Seele saß, indes
der Mund schaurig sang, vorn unter den Engeln des
Tabernakels, unter den Engeln des Marienaltares und
musizierte dem Myfierium ein Mleluja. Meine Seele
kannte überhaupt nur das Mleluja! Meine Scele, die
Freude war, sang den Schmerz.
Vielmals aber babe ich dann im Leben erfahren
müssen, daß das Kreuz damals schon in meiner Seele
gestanden! Wie, wenn es größer weroen sollte, wenn
es ungebeuerlich in mir sich auswachsen wollte, da ich
an die Menschen glaube und sie liebe? Mein bester
Talisman sind ein paar Worte Iesu: Wenn chr nicht
werdet wie die Kinder. . . Mein Rezept des Friedens
ist meine Freude an der Einfachheit, an der Natur, an
der- Liebe. Mein tempelloses Evangelium: erlösen,
erlösi! Immer neu muß sich dies in mir gebaren durch
die Tat!
Aber vielleicht wäre es gut für euch, wenn mich
das Leid unter seine Räder legte: vielleicht könnte ich
euch alsdann besser zur Freude führen! Wahrlich, ich
wollte es gern auf meine Schulter nehmen, dies Kreuz!
Bruder sagen dürfen zu den Männern, Schwester
zu den Frauen: ach, obglcich ein Mönch in mir rumort,
will ich als Sohn der Frau Welt Bruder sagen dürfen
zu den Männern, Schwester zu den Frauen!
ie Geistigen und die Politik.
Von den Geistigen zu sprechen ist nur berechtigt,
wenn man den Ausdruck scharf abgrenzt und in einem
sachlich genau bestrmmten Sinne verwendet. Das ist
um so notwendiger, als der Ausdruck seit etlicher Aeit
zu einem Modewort geworden ist, das trotz seiner Ver-
schwommenheit einen sehr erklusiven Sinn hat, da es
hauptsächlich von denen gebraucht wird, die sich selber
dazu rechnen. Die unausbleibliche Folge davon war,
daß unter der vielfältigen Jnanspruchnahme das Wort
allmählich so breitgeschlagen wurde,daß man heuteimge-
meinen Gebrauch unter den Geistigen gewisse Berufe wie
Gelehrte, Künstler, Rechtsanwalte, Ärzte, Schriftsteller,
Redakteure usw. zusammenfaßt im Gegensatz zu den
Handarbeitern. Diese Abgrenzung ist so weit und so
außerüch, daß sie in einem strengeren Sinne, auf den es
uns hier ankommt, Geistige und Ungeistige umfaßt,
denn diese sogenannten geistigen Arbeiter haben es,
soweit ihre berufliche Leistung in Frage steht, ebenso wie
die Handarbeiter nur mit praktischen Dingen und Auf-
gaben zu tun. Um Geistiges handelt es sich dabei nicht.
Aber auch in dem bestimmteren Sinne dor „Jntellek-
tuellen" ist der Ausdruck noch unbrauchbar, weil er
immer noch eine innere Unklarheit einschließt. Denn
die Geistigen, denen nach dem Programm der Aktivisten
der Geist bloß „Mittel" ist, die als eine Partei die Macht
erstreben, um „das Paradies auf Erden zu verwirk-
lichen" und dadurch den Geist überflüssig zu machen;
die glauben, daß wir vom Geist genug haben und daß es
an der Aeit sei, endlich einmal damit „Ernst" zu machen,
treiben in Wahrheit Verrat am Geiste. Es gehört nicht
zum Wesen des Geistes, wie die Akkivisten behaupten,
daß er weltabgewandt bei „Welt-Emsicht" und „Welt-
Wiederholung" stehen blcibe und in bloßer Kontemplation
sich selber genüge; das heißt Geist mit Literatur ver-
wechseln, denn allerdings gilt dieser Vorwurf für den
Asthetizismus der Jntellektuellen. Der Aktivismus ist
nichts anderes als dre llterarische Flucht vor der Lrteratur,
Verleugnung des Areles, doch Wertergehen auf den alten
Wegen. Wwklicher Geist war aber auch schon vor den
Aktivisten zum Leben und zur Welt hingewandt, wenn
auch sein Verhältnis zu ihr ein komplizierteres und vor-
sichtigeres war als das des politischen Programmes.
Die aktivistische Gleichsetzung von Gcist und Politik ist
allzu einfach: die Geistigen können nicht als solche
politisch werden, sondern können höchstens aus dem
Bereich des Geistes in das der Politik übertreten.
Als Geistige dürfen nur diejenigen gelten, deren
Tätigkeit, überhaupt deren Blickfeld, mcht auf dre Dinge
des praktischen Lebens beschränkt bleibt. Die Abgrenzung
zivischen Geistigen und Ungeistigen hat nur in diesem
Sinne überhaupt einen Sinn, daß die Grenze nicht
vertikal zwischen den Berufsklassen, sondern horizontal,
nütten durch sie hindurch, verläuft. Geistige kann es in
jedem Berufe geben und sie sind in jedem Berufe die-
jenigen, die sich nicht genug sein lassen mit dem Erfolg
ihrer Arbeit in dcr Welt des Sichtbaren, Nutzbaren,
Genießbaren usw., mit allem, was unter diesseitig-
endüche Maßstäbe fällt; alles das erhält für ste seinen
Wert erst durch den Sinn, der über dem Einzelnen steht
und das Einzelne in sich aufnimmt. Die Geistigen gehen
aufs Ganze und Letzte und lehnen daher jede Be-
schränkung auf die isolierten und begrenzten Gegenstande
ab, die nur Träger dos Sinnes sein können. Das bedeutet
phllosophisch ausgedrückt den Grundsatz der „Autonomie
des Geistes", worunter aber nicht der Herren eigner
Geist zu verstehen ist, sondern ein über allen Einzelnen
Stehendes, Überpersönliches, Objektives.
Wenn man vom Geiste einer Aeit spricht, so müßte
man streng genommen das melnen, was dle Gelstlgen
dleser Aett beschäftigt. Während der Geist des Mittel-
alters einen geschlossenen Weltplan besaß, der dem
ganzen Volke gemeinsamer Bezugspunkt war, in den
alle Einzelhetten und Ereignisse des Lebens eingeordnet
waren, so dap sie in ihrer Bezogenheit auf diese einheit-
liche Spitze einen einheitlichen Sinn erhielten und sich
darin ihrem Werte nach in eine Rangordnung ein-
gliederten, fehtt dem Geiste unserer Aett dieser Abschluß,
so daß es gerade seine Aufgabe wird, ihn zu suchen,
und daß sein Suchen nach dem Letzten erst im Unend-
lichen sein Ende findet. Der Geist unserer Aeit ist daher
seinem Wesen nach phllosophisch, immer suchend und nie
befriedigt, während der Geist des Mittelalters religiös
war. Die Geistigen unserer Aeit sind individualistisch
isoliert, während die Geistigen des Mittelalters in einer
alle umfassenden Gemeinschaft standen. Der Geist
unserer Aeit ist inhaltleer und äußert sich in einer
bestimmten methodischen Haltung, während der Geist
des Mittelalters einen festen und inhaltlich bestimmten
Glaubensgrund hatte.
Die Bahn des Geistes unserer Aeit liegt zwischen
146