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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 31.1921

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Heft 3
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Doderer, Otto: Emanuel von Bodman
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https://doi.org/10.11588/diglit.26485#0129

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Emanuel von Bodman.

Drei Lyrikbände sind erschienen von ihm: 1896 das
Bändchen „Erde", 1902 „Neue Lieder" und 1907 „Der
Wanderer und der Weg". Mit den „Neuen Liedern"
macht er seiner Sturm- und Drangzeit ein Ende. Noch
sind sie nicht harmonisch abgetönt, er tastet dort noch in
der damals herrschenden literarischen Strömung, die
der Butzenscheibenlyrik Kamps angesagt hatte und das
absolut Wahre wollte, auch wenn es plump sein mochte,
er tastet noch hin und her nach Motiven, die sich ganz in
ihm runden sollen, und sie sind nicht alle gleichmäßig
tief, er ist seiner Grenzen noch nicht sicher. Impressionen
hält er fest mit mutigem, streng duftigem Realismus
und in heutigentags ungewohnter Helle. Er zeichnet im
„Sommer" ein Bild mit dem Grundriß der zwei Zeilen:
„Ein junges Weib steht dort im Feld. Wie gelb der Raps
ihr Kleid umblüht!" In seinen Abstraktionen bedient er
sich herkömmlicher Mittel, ohne daß sie verbraucht wirken,
wie in dem Gedicht
Wandlung.
Das Leben, glaubte ich, sei rot von Rosen,
Man brauche nur in sein Gestrüpp zu greifen,
Um Hunderte an einem Tag zu greifen. . .
Wohl griff ich Rosen, mehr noch Herbstzeitlosen.
Die Wünsche warf ich weg; sie narr'« mich nimmer.
Ist so mein Herz um manche Hoffnung leerer,
Ist es dafür um eine Weisheit schwerer,
Und mich belebt ein Heller, harter Schimmer.
Ich blicke kälter. Doch: schenkt nur im Wandern
Das Leben plötzlich eine Rose wieder,
Dann blicke ich wie trunken auf sie nieder:
Sie glänzt ja röter als die hundert andern.
Auch soziale Lyrik steht in dem Bändchen, Tribut an
den Zeitgeschmack, sauberes Reimgeklingel mit der
üblichen Tendenz: „Der Stcinhauer", der Karl Henckells
„Steinklopferhannes" ein bißchen ähnlich sieht, „Die
Tänzerin", „Der Invalide". Und dann viel Liebeslyrik.
Erst das Buch „Der Wanderer und der Weg" ist
ganz sein eigen. Dort steht auch unter manchen anderen
das schöne Gleichnis
Gläser.
Einst war mein Glas so voll und glänzte rein,
Ich hob's erglühend in den Tag hinein.
Im ersten Wunsche bebten nur die Hände, '
Ob ich ein solches Glas zum Tauschen fände.
Und dieses Glas, gefüllt bis an den Rand,
Ich gab es Einer in die schlanke Hand
Und nahm das ihre, dumpf im Wunsch versunken,
Und sieh, das ihre war schon angetrunken. . .
Nun reichst du mir das deine, das ist voll
Wie meines war, da es noch überquoll.
Und nimmst das meine, in dem Schatten blinken:
Wir lieben uns und wollen beide trinken.
Hätt ich einstmals in meinem Morgenrot
Eine gefunden, die ein solches bot —
Zwei junge Menschen hätten Wein genossen,
Wie ihn einmal die Welt im Scbrein verschlossen
Für Paare hält, die nie davon vergossen.
Die Empfindung ist inniger geworden, der Gedanke
reifer und klarer, der Ausdruck kunstbewußter, er ist so,
wie er so und nicht anders sein muß. Der Geist des
Ganzen jedoch scheint schwermütiger überschattet. Der
dunkle Vogel der „Bangen Stunde" kreist ums Haris:

Ich zog mich tief ins Herz zurück
Und seh ihn still und grimmig an,
Umkrampfe all mein bißchen Glück
Und harre, ob die Flügel «ahn.
Qucllfrisch sind die Naturbilder, einfach und gesättigt
mit dem goldnen Überfluß der Welt. Wie homerisch
herrlich ist z. B. daö Bild vom Sturm im Gebirge:
Wie er da oben die silbernen Kübel löst
Und das blanke Wasser
Hinunterstürzt
Vielen zum Tode und vielen züm Leben.
Das Buch „Der Wanderer und der Weg" ist eines
von den seltenen Büchern, die man immer wieder lesen
kann und immer wieder als neu und unausgeschöpft liest.
Als Probe sei nur noch ein Gedicht hierher gesetzt, das
jene Lyrik Stormscher Art ist, die eine „Summe der
Empfindung auf einmal und ein für allemal lyrisch aus-
prägt" und die bei der an Bodman gewohnten Zurück-
haltung im Überschwang sonst selten ist:
Morgenstunde.
Ich trat aus meinem dunklen Haus
Weit in den frühen Tag hinaus,
Wie klar die Straßen winken!
Im Tannenwald bebt noch kein Ton,
Nun glänzt die grüne Wiese schon.
Fast muß ich niedersinken:
Fast blendet mich das große Licht,
Nach innen wend ich mein Gesicht,
Auch hier beginnt's zu sprießen.
Mein Saal wird hoch, mein Saal wird hell,
Ich fühle warm den ewigen Quell
Durch meine Seele fließen.
lind wieder staunt mein Blick hinaus:
Wie viele Tropfen goldnen Tau's
Beperlen diese Stufen!
So sieh ich da wie nackt und bloß
Und scheue mich, das kleinste Moos
Mit Namen anzurufen.
3.
Uber die Dramen ist nicht viel zu sagen. Sie sind
Lyrik, die mit klumpfüßigen Theaterinstinkten dahcrtappt.
Aus Angst um den Effekt sind die Stücke mit Theatralik
überladen, und ihr Atem ist zu kurz. Sie sind in Szenen
zerstückelt, ein Vielerlei geschieht, doch kein Vieles, und
trotz dem vielerlei Geschehen wird nur geredet. Was im
Drama geschieht, muß in drei oder fünf Sätzen gesagt
werden können, und doch muß es so viel sein, daß in drei
oder fünf Akten vor Geschehen keine Zeit zum Reden
bleibt. Stücke wie die Bodmans haben nur ein Gefühls-
zentrum: das Ich des Dichters, und dieses Ich ist zu
intensiv, um seine Aktivität und Initiative kontradiktorisch
nach außen entpersönlichen zu können. Man steht da vor
einem durchsichtigen Schleier von Worten und Gefühlen,
hinter denen man spärliche Bewegungen blasser Schemen
bemerkt.
Echt und warm wirkt Bodman da, wo es sich um ihn
selbst handelt, um eigenes Erleben. Zwei von seinen
Dramen befassen sich mit dem Problem des Adels, in
den beiden anderen versucht er mit demjenigen Problem
fertig zu werden, das ihm am tiefsten ins Fleisch schneidet,
in den Tragödien „Donatello" und „Der Fremdling
von Murten" (beide 1907), die denn auch der eigenen

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